Militärprozess in der DR Kongo: Expräsident Joseph Kabila zum Tode verurteilt
Kongos höchstes Militärgericht spricht gegen den ehemaligen Staatspräsidenten die Höchststrafe aus. Der Vorwurf: Er leite die M23-Rebellen im Osten.
Kabila sei, so die Militärrichter, der Chef der von Ruanda unterstützten Rebellenkoalition AFC/M23 (Allianz des Kongo-Flusses/ Bewegung des 23. März), die sich den Sturz von Kongos Präsident Felix Tshisekedi auf die Fahnen geschrieben hat. Die Rebellen kontrollieren die Millionenstädte Goma und Bukavu im Osten des Landes.
Als der heute 53-jährige Kabila noch Präsident war, träumten Kongos Menschenrechtler davon, ihn in Den Haag vor den Internationalen Strafgerichtshof zerren zu können, so lang war die Liste der von ihm im Amt verantworteten Verbrechen.
Aber nicht deswegen wurde er jetzt verurteilt, und Beobachter sind sich einig, dass die jetzigen Vorwürfe gegen ihn Unsinn sind. Die M23-Rebellen im Ostkongo werden nicht von Kabila geführt, sondern sie wurden 2012 gegen ihn gegründet.
Karriere dank seines Vaters
Joseph Kabila wurde einst eher durch Zufall Präsident. Sein Vater Laurent-Désiré Kabila hatte 1997 an der Spitze einer Rebellenkoalition den damaligen Diktator Mobutu Sese Seko gestürzt. Im Januar 2001, als die DR Kongo nach mehreren Jahren Krieg in Warlordgebiete zerfallen war, fiel Vater Kabila einem seiner Leibwächter zum Opfer. Simbabwes Generäle holten seinen Sohn, der als Armeekommandant nach einer verlorenen Schlacht das Land verlassen hatte, nach Kinshasa, wo er zum Präsidenten ausgerufen wurde.
Niemand gab dem damals 29-Jährigen, der seinen Aufstieg seinem Vater verdankte, eine Chance. Aber gerade weil niemand ihn ernst nahm, spielten alle erstmal mit. Der Krieg ging zu Ende, das Land wurde mit einer neuen demokratischen Verfassung wiedervereint und 2006 ließ sich Kabila in Kongos ersten freien Wahlen, unter anderem abgesichert von der Bundeswehr, im Amt bestätigen. Er erarbeitete sich einen Ruf als schweigsam und zielstrebig, fern von der kurzatmigen Theatralik der politischen Kultur Kinshasas.
Aber statt Wiederaufbau und Pluralismus erlebte Kongo danach Korruption und zunehmende Repression. Frühere Rebellen traten im Osten des Landes erneut in den Aufstand, ab 2012 unter dem Namen M23. Kabila bezwang die M23 mit UN-Hilfe 2013 und gerierte sich danach als starker Mann, der sich um keine Regeln mehr kümmert.
Undurchsichtige Bergbaugeschäfte, private Bereicherung, Absage der 2016 fälligen Wahlen, tödliche Gewalt gegen Proteste – nichts ließ er aus. In seltenen öffentlichen Auftritten äußerte er sich eher zynisch und herablassend, er entwickelte einen Hang zum Luxus und seine Familie wurde zum Firmenimperium.
Wie eine Spinne im Netz
Als Kabila Ende 2018 doch wieder Wahlen abhielt und dabei nicht wieder antrat, sorgte er mit seinem damaligen Wahlkommissionschef Corneille Nangaa dafür, dass Anfang 2019 der schwächere Oppositionskandidat Präsident wurde: Felix Tshisekedi. Kabila dachte, nach 18 Jahren an der Macht könne er jetzt, als Senator auf Lebenszeit vor Strafverfolgung geschützt, wie eine Spinne im Netz von seiner Farm Kingakati außerhalb von Kinshasa aus das Land fernsteuern, mit Tshisekedi als willfährigem Werkzeug.
Aber in der DR Kongo geht alle Macht vom Präsidenten aus, und so wandte sich Tshisekedi alsbald gegen Kabila. Der verzog sich nach Südafrika und schrieb eine langweilige Magisterarbeit voller Selbstlob über „Die Renaissance der DR Kongo: eine narrativ-biographische, auto-ethnografische Studie von 19 Jahren Staatsaufbau, Friedensschaffung und wirtschaftlicher Erholung“.
Während in Kinshasa erste Ermittlungen wegen Kabilas Veruntreuung von Staatsgeldern starteten, provozierten Kabila-treue Generäle im November 2021 den Neuausbruch des Krieges mit den M23-Rebellen, und 2023 setzte sich Kabilas alter Getreuer Nangaa an die Spitze der neuen Rebellenkoalition AFC, die mit der M23 als bewaffneter Arm immer stärker geworden ist.
Präsident Tshisekedi wird seitdem nicht müde, Kabila zu bezichtigen, hinter dieser neuen Rebellion zu stecken – eben doch eine Spinne im Netz, nur auf der anderen Seite.
Dass Kabila im Mai 2025 seinen alten Freund Nangaa und die Rebellen in der ostkongolesischen Millionenstadt Goma besuchte, wurde ihm zum Verhängnis. Seine Partei wurde suspendiert, seine Güter eingezogen, seine Immunität als Senator aufgehoben, und Ende Juli begann das Verfahren vor dem höchsten Militärgericht der DR Kongo, das jetzt mit der Todesstrafe endete.
Scharfe Kritik am Militärprozess
Sein selbstgewähltes Exil, das er zwischen Südafrika und Namibia aufteilt, muss Kabila nun wohl verlängern. Erst wenn die Rebellen an der Macht wären, könnte er gefahrlos nach Hause zurück – wobei auch die M23-Rebellen Kabila, ihrem ersten Kriegsgegner, nicht trauen.
Und nicht nur seine Anhänger, auch Menschenrechtler und Juristen kritisieren scharf diesen Prozess, in dem der Angeklagte nicht da war, zentrale Beweise fehlen, wichtige Zeugen nicht auftraten, mehrere Anklagepunkte fallengelassen werden mussten, und der dennoch mit der Höchststrafe endet. Die Rebellen selbst sprechen von einem Bruch der geltenden Friedensvereinbarungen seitens der Regierung.
Der ehemalige ostkongolesische Provinzgouverneur Jean-Claude Kibala, der einst in Deutschland lebte, spricht angesichts des Mangels an Strafverfolgung für tatsächliche Verbrecher im Land von einer „selektiven Justiz“, die „die Argumente jener stärkt, die zu den Waffen greifen“. Kinshasas größte Tageszeitung Le Potentiel warnt, mit dem Urteil werde zwar Kabila aus dem politischen Spiel der DR Kongo genommen, aber damit werde seine politische Rolle als bekanntester Kongolese außerhalb der Institutionen gestärkt: „Joseph Kabila ist jetzt als Akteur unsichtbar, aber im politischen und militärischen Gespräch ist er allgegenwärtig“.
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