Militäraktion in Venezuela: Juan Guaidó und die Söldner

Venezuelas selbst erklärter Interimspräsident Juan Guaidó war offenbar an der Planung der gescheiterten Söldneroperation am 3. Mai direkt beteiligt.

Soldaten stehen auf Felsen am Meer. Im Hintergrund ein Hafen.

Venezolanische Spezialkräfte nach der Niederschlagung des Angriffs am 3. Mai Foto: reuters

BUENOS AIRES taz | Was wusste Venezuelas selbst ernannter Interimspräsident Juan Guaidó über die gescheiterte „Operation Gedeón“? Unter diesem Namen hatte eine Gruppe von Söldnern am 3. Mai beim venezolanischen Badeort Macuto einen Landungsversuch unternommen. Ziel war der Sturz von Staatschef Nicolás Maduro und die Einsetzung Juan Guaidós an seiner Stelle.

„Wir haben einen mutigen amphibischen Angriff von der Küste Kolumbiens tief in das Herz von Caracas gestartet. Unsere Männer kämpfen jetzt gerade. Unsere Einheiten im Süden, Osten und Westen von Venezuela sind aktiviert worden“, erklärte Jordan Goudreau, Eigentümer der privaten US-Sicherheitsfirma Silvercorp mit Sitz in Florida, in einem zeitgleich zum Angriff ins Netz gestellten Video.

Die offensichtlich schlecht vorbereitete Aktion wurde schnell von venezolanischen Armeeeinheiten niedergeschlagen. Mindestens acht Angreifer wurden getötet, gut ein Dutzend festgenommen, darunter die beiden ehemaligen US-Marinesoldaten Airan Berry und Luke Denman.

US-Außenminister Mike Pompeo erklärte bereits, man werde sich darum bemühen, „die beiden herauszuholen“. Ansonsten habe man mit der ganzen Sache nichts zu tun. „Wenn wir beteiligt gewesen wären, wäre es anders gelaufen“, so Pompeo.

Silvercorp-Firmenchef Goudreu beklagt „Verrat“

Bislang gibt es keine konkreten Hinweise für eine direkte Verwicklung der US-Regierung. Ganz anders steht es um Juan Guaidó. Am Montag musste er die Rücktritte zweier seiner wichtigsten Mitarbeiter bekanntgeben. Die Unterschriften von Juan José Rendón und Sergio Vergara stehen unter einem Vertrag mit Goudreaus Sicherheitsfirma Silvercorp. Beide hatten als „Hohe Beauftragte des Präsidenten“ unterschrieben.

Juan José Rendón gilt als Guaidós wichtigster Verbindungsmann in den USA. Sergio Vergara ist Abgeordneter der Nationalversammlung, stammt aus der Grenzprovinz Táchira und hat beste Kontakte ins Nachbarland Kolumbien.

Und während die „Operation Gedeón“ am 3. Mai noch im Gange war, machte Firmenchef Goudreau den Vertrag mit Guaidós Interimsregierung öffentlich. „Es gibt einen Vertrag, aber der andere Vertragspartner hat ihn nicht erfüllt“, beklagte er sich in einem Videointerview und hielt die Seite mit den Unterschriften von ihm, Guaidó, Rendón und Vergara in die Kamera. Er habe alles dafür getan, um diesen Vertrag zu erfüllen, aber noch nie einen solchen Verrat erfahren, erklärt er.

Dass Guaidó von dem Vertragswerk wusste, belegt ein Audiomitschnitt mit ihm, Vergara und Goudreau. Für Verwirrung sorgt jedoch, dass offensichtlich zwei Seiten mit Unterschriften existieren. Eine gehört zu einer achtseitigen allgemeinen Vereinbarung, die von Goudreau als Beleg in die Kamera gehalten wird und Guaidós Unterschrift trägt.

„Oberbefehlshaber – Präsident Juan Guaidó“ steht im Vertrag

Dazu kommt ein 41-seitiger detaillierter Anhang, datiert vom 16. Oktober 2019 und unterschrieben von Rendón, Vergara, Goudreau sowie einem bezeugenden Anwalt, nicht aber von Guaidó.

Der Inhalt ist brisant. Beschrieben werden die einzelnen Phasen der Operation. Als Vertragsziele werden die Ergreifung von Staatschef Nicolás Maduro und die Einsetzung von Juan Guaidó festgelegt.

Vereinbart wurde ein Vorschuss von 1,5 Millionen Dollar. Die Gesamtkosten wurden auf 212 Millionen Dollar für 492 Tage Arbeit veranschlagt. „Die Befehlskette für diese Operation ist wie folgt: 1. Oberbefehlshaber – Präsident Juan Guaidó, 2. Gesamtprojektleiter – Sergio Vergara 3. Hauptstrategien – Juan Jose Rendón, 4. Vor-Ort-Befehlshaber – muss bestimmt werden“, steht auf Seite 39.

Dass ein solcher Vertrag existiert, wurde bereits zwei Tage vor der Operation durch einen Bericht der Nachrichtenagentur AP öffentlich. Unter dem prophetenhaften Titel „Ex-Green Beret led failed attempt to oust Venezuela’s Maduro“ schildert der Bericht ausführlich und detailreich die mehr als prekäre Situation in den Camps im kolumbianisch-venezolanischen Grenzgebiet, in denen übergelaufene venezolanische Militärs im Verbund mit Söldnerfirmen für den Sturz des Regimes in Caracas trainieren.

Militärische Operationen von Kolumbien aus

Erzählt wird, wie der ehemalige US-Elitesoldat mit Kampfeinsätzen im Irak und in Afghanistan, Jordan Goudreau, erstmals mit Venezuela in Berührung kam, als er im Februar 2019 für das Benefizkonzert „Venezuela Aid Live“ nahe der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta mit der Sicherheit beauftragt war. Dabei traf der 43-Jährige auf den ehemaligen venezolanischen General Clíver Alcalá, der nach Kolumbien geflüchtet war und von dort militärische Aktionen gegen das Regime in Caracas organisierte.

Es war der Beginn einer invasionsorientierten Partnerschaft, die abrupt unterbrochen wurde, als Alcalá von den US-Behörden in New York wegen mutmaßlichen Kokainschmuggels verhaftet wurde.

Was den Ausschlag dafür gab, die „Operation Gedeón“ trotz allem zu starten, ist offen. In dem erwähnten Videointerview erklärt Goudreau, dass er, obwohl sein Plan bereits bekannt war und die Opposition ihn für das, was er versprochen hatte, „nicht bezahlt“ habe, die Operation gestartet habe, weil er ein „Freiheitskämpfer“ sei. Angesichts der Vertragsoffenlegung vor laufender Kamera scheint das wenig glaubhaft.

Die venezolanische Staatsanwaltschaft hatte schon letzten Freitag Haftbefehle gegen die in den USA lebenden Juan José Rendón und Sergio Vergara sowie gegen Jordan Goudreau angekündigt. Am Wochenende wurden elf weitere Personen festgenommen. Noch ist Juan Guaidó nicht darunter.

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