Migrationspolitik in den USA: Hunderte Kinder von Eltern getrennt

Trotz gerichtlichem Verbot wurden an der US-Grenze über 900 Kinder von ihren Familien getrennt. Das geht aus Regierungsunterlagen hervor.

Familien vor einem hohen Metallzaun

Ciudad Juárez, Mexiko: Hinter dem Zaun liegt Trump-Land Foto: dpa

SAN DIEGO/WASHINGTON ap/dpa | US-Behörden haben nach Angaben von Bürgerrechtlern mehr als 900 Migranten-Kinder von ihren Eltern getrennt, seit ein Gericht die umstrittene Praxis im Juni vergangenen Jahres untersagt hat. Die Bürgerrechtsbewegung ACLU rief deswegen am Dienstag das Bundesgericht in San Diego an, das die Verfügung vor gut einem Jahr erlassen hatte, um die Trennung von Kindern von ihren Familien bei der illegalen Einreise aus Mexiko zu stoppen.

ACLU-Anwalt Lee Gelernt sagte: „Es ist schockierend, dass die Trump-Regierung weiterhin Eltern ihre Babys wegnimmt.“ Die Regierung von US-Präsident Donald Trump umgehe damit die Anordnung des Gerichts. Bei einem Elternteil war der Hintergrund Eigentumsbeschädigung im Wert von fünf Dollar, bei sechs Elternteilen ging es um Verurteilungen wegen des Besitzes von Marihuana, bei acht um Betrug und Fälschungen, wie die ACLU berichtete.

Ein zweijähriges Mädchen aus Guatemala wurde von seinem Vater getrennt, nachdem es wegen Fiebers und Windelausschlags untersucht und als unterernährt und unterentwickelt eingestuft wurde, so ACLU. Der Vater, der aus einer „außergewöhnlich verarmten Gemeinde“ stamme, in der Unterernährung weit verbreitet sei, wurde der Vernachlässigung beschuldigt.

Die Regierung argumentiert ACLU-Angaben zufolge, dass die Behörden nach der Verfügung unter bestimmten Bedingungen befugt seien, Kinder von ihren Eltern zu trennen: nämlich dann, wenn die Eltern vorbestraft sind, ihren elterlichen Pflichten nicht nachkommen oder eine Gefahr für das Kind darstellen.

Verstöße gegen Verkehrsregeln

Die ACLU wirft der Regierung vor, Kinder systematisch von ihren Eltern zu trennen und als Vorwand minderschwere Delikte der Eltern wie Verstöße gegen Verkehrsregeln oder angebliche Zweifel an den Fähigkeiten der Eltern ins Feld zu führen. Die Bürgerrechtler forderten das Gericht auf, klare Richtlinien zu erlassen.

Die ACLU führte in ihrem Antrag zahlreiche Fälle an, die Zweifel an der Entscheidung der Behörden nähren. So sei etwa ein Kind von seiner Mutter getrennt worden, weil ihr Verbindungen zu kriminellen Banden vorgeworfen worden seien. Die einzige Verbindung sei aber gewesen, dass die Frau von einem Bandenmitglied vergewaltigt worden sei. Einem Vater sei die Tochter weggenommen worden, weil er ihre Windel nicht gewechselt habe – der Mann habe das kranke Kind nicht wecken wollen.

Etwa ein Fünftel der zwischen Ende Juni 2018 und Juni 2019 insgesamt 911 von ihren Eltern getrennten Kinder seien unter fünf Jahren alt, so ACLU. Darunter seien auch Babys. Den Eltern von 678 Kindern würde kriminelles Verhalten vorgeworfen. Andere Gründe seien die angebliche Zugehörigkeit zu einer Gang, Untauglichkeit oder Sicherheitsbedenken, „unverifizierte familiäre Beziehungen“ oder eine Erkrankung der Eltern.

Trump verfügt Erlass gegen Familientrennungen

In den Wochen vor der richterlichen Verfügung vom vergangenen Jahr hatten die US-Behörden an der Grenze zu Mexiko mehr als 2.000 Kinder illegal eingewanderter Menschen aus Lateinamerika von ihren Familien getrennt. Das Vorgehen war Teil von Trumps sogenannter Null-Toleranz-Politik gegenüber Einwanderern. Die Praxis sorgte international für Empörung. Trump geriet so stark unter Druck, dass er selbst per Erlass ein Ende der Familientrennungen verfügte.

Im Juni 2018 hatte Bezirksrichter Dana Sabraw angeordnet, dass die Praxis der Aufsplittung von Familien an der Grenze gestoppt werden müsse und nur in Ausnahmefällen wie bei der Sorge um die Sicherheit des Kindes durchgeführt werden dürfe. Er ordnete an, dass die Regierung mehr als 2.700 Kindern, die damals unter der Aufsicht des Staates standen, mit ihren Eltern zusammengebracht werden müssten, was zum großen Teil geschehen ist.

Die ACLU, deren Berichte auf Informationen der Regierung beruhen, forderte das Gericht auf, die Kriterien für die Trennung von Familien zu spezifizieren. Das Justizministerium äußerte sich zunächst nicht.

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