Migrationspolitik in Deutschland: Fortschritte, aber auch Verschärfungen
Das Bündnis „Pass(t) uns allen“ kritisiert den Entwurf zum Staatsangehörigkeitsrecht. Wer Sozialhilfe bekommt, habe kaum Chancen auf Einbürgerung.
Doch das Bündnis „Pass(t) uns allen“ aus rund 50 migrantischen und rassismuskritischen Organisationen ist noch unzufrieden. In einer Pressekonferenz am Donnerstag sagte Olga Gerstenberger, Mitinitiatorin des Bündnisses, man sehe zwar Fortschritte, aber auch Verschärfungen: „Jetzt ist die Chance, noch Verbesserungen einzufordern.“ Das Bündnis kritisiert vor allem einen Aspekt: Wer Sozialhilfe bekommt, hat laut Entwurf kaum Chancen auf Einbürgerung.
Es gibt nur drei Ausnahmen: sogenannte Gast- oder Vertragsarbeiter:innen, in Vollzeit Erwerbstätige und Ehe- oder eingetragene Lebenspartner:innen, wenn ein minderjähriges Kind im Haushalt lebt. Damit würden wohl Menschen, die Angehörige pflegen, Alleinerziehende oder auch Menschen mit Behinderung sich nicht mehr einbürgern lassen können. Auch Kinder, die über ihre Eltern Sozialhilfe beziehen, könnten das nicht. Laut „Pass(t) uns allen“ verschärft das die aktuelle Rechtslage.
Derzeit können sich auch Sozialhilfeempfänger:innen einbürgern lassen, wenn sie die Sozialhilfe nicht zu vertreten haben – also selbst nichts für den Sozialhilfebezug können. Da Kinder, Pflegende oder auch Menschen mit Behinderung oft keine andere Möglichkeit haben, außer Sozialhilfe zu empfangen, würde das aktuelle Gesetz ihnen die Einbürgerung ermöglichen. Auch wer durch äußere Umstände, wie etwa Konjunkturschwankungen, den Job verliert, könnte sich noch einbürgern lassen. Der neue Entwurf deckt alle diese Fälle wohl nicht ab.
Armutsbetroffene von der Teilhabe ausgeschlossen
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Umgang mit Menschen ohne Pass. Denis Neselovskyi von der Organisation Statefree, kritisierte: „Der Entwurf berücksichtigt die 126.000 Menschen im Land ohne Staatsangehörigkeit nicht.“ Staatenlosigkeit in Deutschland nehme zu, da Kinder den Status qua Geburt von ihren Eltern übernehmen. Das Bündnis fordert daher einen klareren Umgang mit Staatenlosen und Erleichterungen bei der Einbürgerung. Zudem sollen Kinder, die hier geboren werden, auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.
Und dann wird es noch grundsätzlich: Der Gesetzentwurf schließe Armutsbetroffene von der Teilhabe aus. Clemens Hauser von der Organisation „Wir wählen“ fragt: „Kann in einer Demokratie die Teilhabe vom Einkommen abhängen?“
Transparenzhinweis: Wir haben ein versehentlich falsch zugeordnetes Zitat entfernt. Die Redaktion
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe