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Migrationspakt der EU mit dem TschadVom Partner zum Komplizen

Kommentar von Uwe Kekeritz

Um Migration zu unterbinden, stützt die EU den tschadischen Diktator ­Idriss Déby, sagt Uwe Kekeritz, Abgeordneter der Grünen.

Eine Frau aus dem Tschad in einem Geflüchtetenlager. Der EU wäre es lieber, sie zöge nicht weiter Foto: dpa

O ft heißt es, die Hoffnung sterbe zuletzt. Im Tschad wurde sie längst begraben. Das Land ist nicht nur eines der ärmsten überhaupt, es belegt in etlichen Ranglisten, die Entwicklungsstand und Zukunftsperspektiven messen, einen der hinteren Plätze: Pro-Kopf-Einkommen, Geschäftsklima, Korruption, Ernährungslage – überall schneidet der Tschad verheerend ab.

Außerhalb der Hauptstadt N’Djamena haben gerade einmal 2 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Strom. Nur 20 Prozent der Menschen können ­lesen und schreiben. Besserung scheint nicht in Sicht – im Gegenteil: Staatspräsident ­Idriss Déby regiert immer brutaler. Menschenrechtsverteidiger landen im Gefängnis, öffentliche Proteste werden gewaltsam niedergeschlagen und auf Parlamentswahlen warten die Bürger seit 2015 vergebens.

Statt Schulen und Krankenhäuser zu bauen, bereichern sich Déby und seine Machtclique selbst. Dennoch ist der Tschad ein zentraler Partner der internationalen Gemeinschaft. Das Land gilt als wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den Terror im Sahel. Allerdings wirkt die Terroristenjagd vorgeschoben, denn trotz enormen Aufwands wurde bislang wenig erreicht.

Die international unterstützte Sondereinsatztruppe am Tschadsee bekommt die Sicherheitslage in der Region nicht in den Griff. Und auch die neu gegründete G-5-Kooperation – zu der sich die fünf Sahelstaaten zusammengeschlossen haben – kann bislang keine Erfolge verbuchen. Und das, obwohl sie von der EU mit dreistelligen Millionenbeträgen aufgerüstet wurde.

Uwe Kekeritz

ist entwicklungspolitischer Sprecher der Grünen-­Bundestagsfraktion und Vorsitzender der Parlamen­tariergruppe Westafrika.

Hinter vorgehaltener Hand bestätigen EU-Beamte die Erfolglosigkeit der Initiative. In N’Djamena wurden Sicherheitsexperten noch deutlicher: Die EU müsse aufpassen, nicht „vom Partner zum Komplizen“ zu werden. Allerdings arbeitet die EU längst eng mit dem Déby-Regime zusammen, um Migration nach Europa zu unterbinden. Hierfür ist Europa auch dazu bereit, Autokraten an der Macht zu halten. Die angeblich wertegeleitete Außenpolitik der Friedensnobelpreisträgerin EU spielt plötzlich keine Rolle mehr.

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3 Kommentare

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  • Herr Kekeritz fordert doch selbst, Afrika müsse "in all seiner Vielseitigkeit als Partner auf Augenhöhe verstanden und behandelt werden" (Zitat von seiner Homepage). Voilá.

  • War das nicht der UN-Migrationspakt, der fast nur im Geheimen diskutiert wurde?

  • "Die angeblich wertegeleitete Außenpolitik der Friedensnobelpreisträgerin EU spielt plötzlich keine Rolle mehr." Haben Werte je in der EU Außenpolitik eine Rolle gespielt? Ich kenne kein einziges Beispiel dafür. Insbesondere nicht in der "Migrationskontrolle". Da ging es schon immer nur um Abschottung. Asylrechtsverschärfungen folgten zuverlässig z.B. Anfang der 90er mit den Kriegsflüchtlingen aus Exjugoslawien und seit 2015 mit den Kriegsflüchtlingen aus Syrien. Ob EU-Türkei Abkommen (syrische Flüchtlinge werden in Folge bereits an der türkischen Grenze getötet wenn sie versuchen aus Syrien zu fliehen), und nachdem Libyens "Antimigrationspartner" Gaddafi nicht mehr da war sorgte die EU mit der Einstellung und Kriminalisierung von Seenotrettung dafür dass Bootsflüchtlinge ertrinken und bezahlt libysche Milizen dafür sie abzufangen - Hauptsache sie kommen nicht zu uns.