Migration&Lyrik: Die Verdichterin
Inge Buck stammt aus dem Hohenlohischen und ist Bremens spannendste Poetin. Ihr Verleger ist ein Perser, der Bremen zu einem guten Lyrik-Verlag verholfen hat.
Dass die große alte Dame der Bremer Lyrikszene eine Sprachmelodie hat, die dezent zwischen schwäbisch und ostfränkisch oszilliert, zeigt Zweierlei: Die Kultur des calvinistischen Bremen lebt noch immer von Zuwanderung aus dem Katholischen. Und: Inge Buck hat sprachliche Qualitäten, die sich überall durchsetzen.
Die beweist sie zum wiederholten Mal in einem Band, der „Oktoberlicht“ heißt, aber Mitte Juli vorgestellt wird. Ist das die subtile Art, in der zeitgenössische Lyrik auf den Klimawandel reagiert? Tatsächlich reflektiert Buck in einigen ihrer Texte das Aufweichen der Jahreszeiten. Doch beim Erscheinungsdatum hat sie sich eher den Verlagsbedürfnissen angepasst. Sie war eine der ersten Bremer Autorinnen, die den von Madjid Mohit gegründeten Sujet Verlag unterstützten: Der iranische Asylbewerber begann mit dem Druck von Pizzaflyern, heute ist er Bremens wichtigster Verleger unter anderem für Lyrik – nicht zuletzt dank Inge Buck.
Buck mag Beharrlichkeit, Widerständiges. Ihr Stil ist konzentriert, teils stenografisch bis hin zur Stichworthaftigkeit – und trifft dennoch ganze Stimmungs- und Lebenswelten. Etwa die des Dichters Montaigne, der erst nach einem fast tödlichen Reitunfall zu schreiben begann. Buck taucht tief in Biografien ein, wie die der 116-jährigen Japanerin Misao Okawa, deren Leben sie zu einem intensiven Achtzehnzeiler kondensiert.
Bucks Heimat ist flach wie die hiesige Tiefebene, nur 600 Meter höher gelegen. Das Hohenloher Land, durch das sie in ihren Texten mit ihrem betagten Vater wandert: „Ich brauche keinen Stock“, sagt der, „das ist was für alte Leute.“ Da war er bald 101.
Bis dahin hat seine Tochter noch ein Vierteljahrhundert. Sie wird Krähen bewundern und Kakteen gießen. Und tief eindringende Texte schreiben. HB
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!