Ein guter Platz in der Literatur: Vom Flüchtling zum Verleger

Madjid Mohit hat es geschafft: Vor 20 Jahren kam er als Asylbewerber nach Deutschland, jetzt ist er mit seinem Sujet-Verlag bei der Leipziger Buchmesse dabei. Und hat sich einen guten Platz erkämpft.

Erfolgreich im Verlagsgeschäft: Madjid Mohit. Bild: Henning Bleyl

Seit gestern ist Madjid Mohit einer von 2.100 - so viele Aussteller sind dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse dabei, die als erster großer Branchentreff des Jahres die Frühjahrs-Neuerscheinungen präsentiert. Hier wird der Büchermarkt vorsortiert, mit 1.800 Veranstaltungen ist die Messe gleichzeitig Europas größtes Lese-Festival. Mit einem eigenen Stand mittendrin zu sein, ist für Mohits kleinen Verlag, "Sujet" in Bremen, so etwas wie ein Ritterschlag.

Sicher: In Frankfurt wird ein weit größeres Auftragsvolumen getätigt, die dortige Buchmesse ist die größte der Welt. Aber ein Fitzelchen davon hat Mohit vergangenes Jahr auch schon erhascht. Konkret: vier Quadratmeter, ein Regal.

Seine erste Bekanntschaft mit Frankfurt hatte Mohit 20 Jahre zuvor gemacht, am Flughafen: Der Bundesgrenzschutz hinderte den iranischen Flüchtling an der Weiterreise nach Kanada und wurde so, um es mal positiv ausdrücken, gewissermaßen zum Geburtshelfer für den Sujet-Verlag.

Zunächst jedoch war es hart: Mohit sprach Englisch und Französisch, aber kein Deutsch. Nach zwei deprimierenden Jahren in einem Auffanglager bei Vechta hatte er endlich Glück: Er fand für ein Jahr Arbeit als Kulturreferent des Bremer "Dachverbandes für Ausländerkulturvereine". Und in dessen Keller fand er eine alte Druckmaschine.

Mohit kommt aus einer Verleger-Familie. Sein Großvater brachte das erste deutsch-persische Wörterbuch, ein Generationenprojekt, auf den Weg. Lange kann Mohit von Endlosdiskussionen mit den Mullahs der Zensur-Behörde erzählen, von Debatten über die Legitimität von Sexualität und von Papierzuteilungen. Irgendwann musste Mohit seinen Autoren Decknamen geben, und nach der Rushdie-Fatwa war für Mohit endgültig Schluss: Er floh.

Die Berufsfelder, in denen sich MigrantInnen in Hamburg selbstständig machen, haben sich mit den Generationen verändert. Das zeigt eine kürzlich erschienene Untersuchung des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI).

Branchen mit niedrigen Marktzutrittsbarrieren werden allgemein bevorzugt: Gastronomie und Handel rangieren vor dem produzierenden Gewerbe und dem Handwerk.

Motive: Schlecht qualifizierte Migranten schaffen sich oft ihren eigenen Job, weil sie keine Arbeit anderswo finden; gut Qualifizierte nutzen Marktlücken. Ethnische Netzwerke aus Familienmitgliedern und Freunden spielen bei der Firmengründung kaum eine Rolle.

Ausmaß: Nach dem Mikrozensus sind insgesamt vergleichsweise weniger Menschen mit Migrationshintergrund selbstständig als deutschstämmige. In Hamburg stellen sie 25 Prozent der Bevölkerung aber nur 18 Prozent der Selbstständigen. Aber türkischstämmige Akademiker der zweiten Generation sind zu einem größeren Anteil selbstständig als die deutschstämmige Vergleichsgruppe. Sie arbeiten häufig als Anwälte, Steuerberater und Ärzte.

Das Sujet-Verlagsprogramm lässt sich als erfolgreiche Integrationsgeschichte lesen. Dort finden sich persische Exil-Autoren wie Shahla Baversad, Salem Khafani und der in Hamburg lebende Mahmood Falaki, der nun in Leipzig aus seiner Novelle "Carolas andere Tode" lesen wird. Mohit hat mittlerweile aber auch "urbremische" AutorInnen um sich gesammelt wie Detlev Michelers und Inge Buck, deren Lyrikband "Märzlicht" ebenfalls in Leipzig vorgestellt wird - parallel zu den Produkten seines ambitionierten, mehrsprachigen Kinderprogramms.

Ein anderer Parameter für Erfolg im Verlagsgeschäft ist die Aufnahme in den Großhandel. Wer im Verzeichnis lieferbarer Bücher vorkommt, also Aufnahme in die Lager des Großmarkts findet, ist in den ökonomisch relevanten Teil des Systems vorgestoßen. Ein bemerkenswerter Weg: Anfangs konnte sich Mohit Literatur nur leisten, indem er sich, ökonomisch gesehen, mit dem Druck von Speisekarten und Werbung durchbiss. "Kämpfen", sagt der 48-Jährige lächelnd, "haben wir genug gelernt".

Und kämpfen, das muss er immer noch, auch in Leipzig: Zunächst wollte ihn die Messe in eine Kneipe in der Oststadt platzieren, "da wäre nur Platz für 20 bis 30 Leute gewesen", sagt Mohit. Niemand habe verstehen wollen, dass sowohl sein Lyrik-Programm als auch die "Mission", persische Autoren jenseits der anti-islamischen Bestseller-Literatur zu Wort kommen zu lassen, keine Nischen-Anliegen sind.

Mohit hat es geschafft sich verständlich zu machen: Morgen lesen seine AutorInnen im Gohliser Schlösschen und im renommierten Mendelssohn-Haus.

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