Migrantenorganisationen über Chemnitz: „Um Jahrzehnte zurückgeworfen“
Opferberatung und Flüchtlingsrat wünschen ein klares Zeichen gegen Rechts. Die Nazi-Szene in Chemnitz sei klein, aber gut vernetzt.
Auch die organisierte rechte Szene sei nicht besonders groß, wenn auch gut vernetzt. Das Label PC-Records, das Neonazimusik vertreibt, hat in Chemnitz seinen Sitz. Die Kameradschaft „Rechtes Plenum“ hat versucht, den Stadtteil Sonnenberg als Nazi-Kiez zu erobern. Beim Kampfsport und in der Fanszene des CFC-Fußballklubs gebe es Hooligans und Rassisten, sagte Löschner.
Aus ihren Reihen gingen beispielsweise die „Kaotics“ hervor, die am Sonntag Jagd auf Ausländer in Chemnitz machten. Die nationalsozialistische Partei „Der dritte Weg“ habe jüngst ihre Aktivitäten auffällig verstärkt. Der Opferberater forderte von der Staatsregierung und der Chemnitzer Stadtspitze „endlich eine klare Haltung, die über Fassungslosigkeit hinausgeht“.
Ein klares Zeichen gegen Rechts bei den politisch Verantwortlichen vermisst auch der Sächsische Flüchtlingsrat. „Man ist eher mit importiertem Terror beschäftigt als mit dem hiesigen Terror gegen Flüchtlinge“, sagte Thomas Hoffmann. Überdies hätten Reden wie die von Bundesinnenminister Horst Seehofer über eine „nationale Kraftanstrenung“ das Klima vergiftet. Hoffmann sprach von einer „neuen Qualität“, die über die Pogrome in Rostock oder Hoyerswerda Anfang der 1990er Jahre hinausgehe. „Die Verantwortlichen tun sich schwer, die Dinge zu benennen“, fügte er hinzu.
„Wir sind dort angekommen, wovor wir immer gewarnt haben“, ergänzte Emiliano Chaimite als Vorsitzender des Dachverbandes Sächsischer Migrantenorganisationen. „Es kommt zur Explosion, wenn man nicht konsequent ahndet!“ Die Migrantenarbeit werde „um Jahrzehnte zurückgeworfen“.
Chaimite berichtete von einer Podiumsdiskussion mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Dort habe der Regierungschef bestritten, dass der Alltagsrassismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Kretschmer und mehrere Landesminister werden am Donnerstag im Rahmen der lange geplanten „Sachsengespräche“ Chemnitz besuchen und mit Bürgern diskutieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“