Migranten in Libyen: Nigeria holt seine Bürger heim
15.000 im Bürgerkriegsland Gestrandete sollen 2018 ausgeflogen werden. Ihre Familien zu Hause sind nicht immer erfreut darüber.
Am Sonntag hoben zwei gecharterte Maschinen vom Flughafen Meitiga in Tripolis nach Lagos ab. Die 700 Migranten an Bord waren meist aus Schlauchbooten gerettet und in zwei der zehn Aufnahmelager im Großraum Tripolis festgehalten worden.
5.500 Nigerianer sollen nach der libysch-nigerianischen Vereinbarung in diesem Jahr ausgeflogen werden. Die tatsächliche Zahl der an der 2.300 langen libyschen Küste auf die Überfahrt nach Europa wartenden Nigerianer dürfte jedoch wesentlich höher liegen. Denn viele der Migranten werden von informellen mafiösen Netzwerken durch die Sahara an die Mittelmeerküste gebracht und warten in sogenannten Gettos auf die bereits bezahlte Weiterfahrt. Die versteckten „Gettos“ werden meist von lokalen Milizen bewacht, für die Migration die letzte verbliebene Einkommensquelle für Devisen ist.
Außenminister Onyema zeigte sich schockiert über die Bedingungen in den Lagern, dämpfte jedoch die Hoffnung, alle Nigerianer in Libyen ausfindig zu machen: „Viele der kriminellen Milizen, die sich mit dem Lösegeld von entführten Migranten oder von deren Transport durch Libyen finanzieren, haben kein Interesse an der Evakuierung ihrer Ware.“
Bis zu 700.000 Migranten sitzen in Libyen fest
Die Rückführung der Nigerianer ist Teil eines internationalen Plans, bis Jahresende 15.000 Migranten aus Libyen in Sicherheit zu bringen. Dort sitzen bis zu 700.000 Menschen fest und finden nur selten Arbeit, um die Fahrt nach Europa oder die Rückkehr in die Heimat zu finanzieren.
Angesichts der Zustände in Lagern und Gefängnissen hatten mehrere afrikanischen Staaten auf dem EU-Afrika-Gipfel in Abidjan beschlossen, vor allem die Opfer von Menschenhändlern zu evakuieren. Die Kooperation von Polizei und Geheimdiensten soll verstärkt werden, um gegen Schlepper vorzugehen. 2017 flog die Internationale Organisation für Migration (IOM) 14.000 Menschen aus Libyen aus. Sie will die Zahl in diesem Jahr verdoppeln.
Die meisten Migranten sitzen aufgrund des schlechten Wetters und der zunehmend aktiven libyschen Küstenwache zwischen Tripolis und der tunesischen Grenze auf privaten Farmen fest. Tunesiens Regierung weigert sich, wie 2011 Aufnahmelager nahe dem Grenzübergang Ras Jadir zu eröffnen und die Rückkehrer über die nahegelegene Touristeninsel Djerba auszufliegen.
Wie schwierig die Evakuierung werden wird, zeigen die Kämpfe, die gelegentlich in Westlibyen ausbrechen. Auch der Flughafen Meitiga in Tripolis wird immer wieder gesperrt, wenn die Spannungen zwischen Milizionären eskalieren.
Am Flughafen von Lagos spielen sich derweil tragische Szenen ab. Viele von Folter gezeichnete Rückkehrer warteten vergeblich auf Verwandte, die oft einen Großteil der Ersparnisse für die Fahrt nach Europa investiert hatten. Eine Vertreterin des Roten Kreuzes sagte der Zeitung The Leadership: „Viele Rückkehrer sind von ihren Familien nicht erwünscht, sie haben wie zuvor keinen Job, haben viel Geld verloren und sind meist schwer traumatisiert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz