Mietenwahnsinn in Berlin: Gegen Gentrifizierungsmüll
In Berlin beginnen die Housing Action Days mit einem Happening auf dem Ku’damm. Aktivist:innen wollen Unrat bei den Verursachern entsorgen.
Der Ort ist dabei nicht zufällig gewählt. So steht im Flyer: „Würde der Staat das Menschenrecht auf Wohnen schützen, müsste der Ku’damm zum Immobilien-Gefahren-Gebiet für Berliner Mieter*innen erklärt werden.“ Säßen dort doch neben Notar:innen und Lobbyist:innen noch die einschlägig bekannten „Immobilieros wie Padovicz, Pears, Engel und Völkers oder Mähren etc“.
Was genau unter Gentrifizierungsmüll zu verstehen ist? Nun, die für Verdrängung verantwortlichen Profiteur:innen bekämen ihre materiellen Unannehmlichkeiten zurückgeschickt. Oder wie Kim Meyer (Name geändert) vom Mietenwahnsinn-Bündnis sagt: „Wir wollen alles, was sich im Laufe der letzten Jahre hier beim Mietenwahnsinn-Bündnis und bei Mieter:innen angesammelt hat, dort abladen: Mieterhöhungen, Modernisierungsankündigungen, Zwangsräumungsanordnungen, geräumtes Mobiliar, abgenudelte Demo-Transpis, vergilbte Plakate und abgelaufene Flyer.“
Wo sie den ganzen Krempel dann abladen, sei allerdings noch unklar: In die Briefkästen der Firmen passt so ein Mobiliar bekanntlich nicht. Eine persönliche Zustellung, also das direkte Einwurf-Einschreiben, wäre aus Sicht von Meyer allerdings traumhaft, wie er leicht ironisch sagt: „Es wäre natürlich toll, wenn die uns empfangen und alles zurücknehmen würden: Mieterhöhungen, Kündigungen, Mietforderungen.“
Vorglühen im mietenbewegten März
Nun, die Chancen dafür dürften zwar überschaubar sein, dennoch wird die Aktion nur der Auftakt eines mietenbewegten Monats sein: So beginnt mit dem demonstrativen Einwurf-Einschreiben am Ku’damm eine europaweite Aktionswoche: die European Action Days. In Amsterdam sollen bei einem Kiezspaziergang Spekulant:innen besucht werden, und in Hamburg wollen Aktivist:innen ihre eigene Volksinitiative auf Enteignung von Vonovia und Deutsche Wohnen anstreben.
Und natürlich ist auch das Datum, der 10. März, kein Zufall. Denn an diesem Tag beginnt in der Regel mit der Mipim die weltweit größte Immo-Messe in Cannes, Europas Epizentrum der Schönoperierten und Reichen, gelegen an Frankreichs Côte d’Azur, Yachthafen vorhanden. Dass die Messe zwar bereits wegen des Coronavirus abgesagt ist, mache den Protest nicht weniger drängend, wie Meyer findet.
Ansonsten sei die Aktion ein Vorglühen für den 28. März, dem europaweiten Aktionstag gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn, wo es nicht nur in Berlin wieder eine Mieten-Großdemo geben soll: Allein in Deutschland wollen in rund 80 Städten Mieter:innen gegen den Mietenwahnsinn auf die Straße gehen und protestieren.
Ein Besuch Am Dienstag, 10. März, veranstaltet das Berliner Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn auf dem Kurfürstendamm eine Aktion, bei der "dort ansässige Immobilienfirmen besucht werden" sollen. Beginn ist um 16 Uhr am George-Grosz-Platz.
Housing Action Day Die Aktion im Rahmen eines europaweiten Aktionstages eines Bündnisses von Mieterorganisationen soll auch gleich auf den gleichfalls internationalen Housing Action Day am 28. März verweisen, an dem man sich in Berlin um 13 Uhr auf dem Potsdamer Platz zum Mietenprotest trifft.
In Berlin werden die Housing Action Days zudem von der allerdings kostenpflichtigen internationalen Konferenz „Evicted by Greed“ (Verdrängt von der Gier) flankiert. Dort sprechen Personen wie Leilani Farha, UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen, und Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.
Mietenbewegte können sich den Film „Push – Für das Grundrecht auf Wohnen“ anschauen oder am Stadtrundgang „Visiting the Invisible. A Berlin City Tour to Anonymous and Aggressive Real Estate Investors“ (Besuch bei den Unsichtbaren, eine Berliner Stadttour zu anonymen und aggressiven Immobilien-Investoren) teilnehmen. Die Tour bietet dann mit Sicherheit eine weitere Gelegenheit, den Ku’damm zu besuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus