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Michael Bartsch über OB-Wahl in MeißenUnion bleibt taub für Bürgergeist

Der Gesang der Unterstützer des Theologen und Politischen Pädagogen Frank Richter am Sonntagabend im Meißener Rathaus sollte die Tränen stoppen, die auch beim Kandidaten flossen. Denn bei der OB-Wahl ist Amtsinhaber Olaf Raschke (CDU) am Sonntag mit knapper Mehrheit im Amt bestätigt worden. Im zweiten Wahlgang setzte sich Raschke überraschend mit 43,5 Prozent der Stimmen gegen den parteiunabhängigen Bewerber Frank Richter durch.

Nach 28 Jahren Dauerherrschaft in Sachsen gilt die CDU auch kommunal als verbraucht, ideenlos und ohne Bodenhaftung. Die Wahl in Meißen hätte zeigen können, dass eine Alternative nicht nur von Rechtsaußen kommen muss. Statt auf Ängste und Ressentiments zu setzen, bemühte sich die kulturbürgerliche „Meißen kann mehr“-Initiative um eine offene Ansprache des Problemstaus in der Stadt, um konstruktive konkrete Lösungen, um eine verbindliche Ansprache aller. Bürger für Bürger!

Mit Frank Richter und seinem kommunikativen Stil fand die Initiative einen idealen Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters. Die Parteien Linke, SPD und Grüne spielten in diesem Bündnis nur eine marginale Rolle.

Einer späten Erkenntnis folgend, versucht auch der seit einem Dreivierteljahr amtierende Ministerpräsident Michael Kretschmer mit der sächsischen Union auf diesen Stil umzuschwenken. Eigentlich hätte die Christdemokraten deshalb über ihren Schatten springen und den Renegaten Frank Richter unterstützen müssen, der im Vorjahr nach 25 Jahren Mitgliedschaft die reformunfähige Partei verlassen hatte. Stattdessen herrscht in der CDU bei ihren Provinzfürsten wie Amtsinhaber Olaf Raschke das „Weiter so“ vor, ist die alte Arroganz aus den Zeiten der absoluten Regierungsmehrheit heute noch spürbar.

Und weil es trotz versuchter Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern letztlich nur um Machterhalt geht, begreift die CDU das von Meißen ausgehende Signal nicht. Olaf Raschke ist der erste Oberbürgermeister von AfD-Gnaden. Dabei hatte das Richter-Bündnis gezeigt, dass man die AfD-Stimmen gegenüber der Bundestagswahl um fast zwei Drittel reduzieren konnte! Ein Jahr vor der Landtagswahl lautet die Lehre von Meißen: Hauptsache, die Union bleibt knapp vorn, egal mit wem und mit wessen Hilfe.

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