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Merkels FlüchtlingspolitikKritik aus der eigenen Partei

Sie sorgen sich „um die Zukunft unseres Landes und Europas“. Deshalb haben CDU-Politiker einen Brief an die Kanzlerin geschrieben.

Hat Post bekommen. Foto: dpa

Berlin dpa | Die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sorgt an der eigenen Basis für scharfe Kritik. 34 CDU-Funktionäre aus acht Bundesländern distanzierten sich in einem Schreiben an Merkel deutlich davon und forderten klare Maßnahmen gegen den Flüchtlingsandrang. „Die gegenwärtig praktizierte „Politik der offenen Grenzen“ entspricht weder dem europäischen oder deutschen Recht, noch steht sie im Einklang mit dem Programm der CDU“, heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den zuerst „Spiegel online“ berichtete.

Die Unterzeichner kommen aus Berlin, Hessen, Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Es ist kein Bundestagsabgeordneter darunter. Zu den Unterzeichnern gehören sieben CDU-Politiker aus Berlin, darunter Sven Rissmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der Berliner CDU-Fraktion. Rissmann wollte sich am Mittwoch nicht dazu äußern. Unterschrieben haben unter anderen Bastian Schneider, Mitglied im JU-Bundesvorstand, der Schweriner Landtagsabgeordnete Marc Reinhardt und sein Dresdner Kollege Christian Piwarz.

Ein großer Teil der CDU-Mitglieder und Wähler fühle sich von der gegenwärtigen Linie der CDU-geführten Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik nicht mehr vertreten, kritisierten die Landes- und Kommunalpolitiker. Hilfe für Flüchtlinge entspreche der Programmatik der CDU und dem Gebot der christlichen Nächstenliebe. „Die Aufnahmekapazitäten Deutschlands sind allerdings bis an die Grenzen gespannt und an manchen Orten bereits erschöpft“, schreiben die CDU-Politiker „mit großer Sorge um die Zukunft unseres Landes und Europas“.

Die 34 Unterzeichner fordern klare Maßnahmen, um den Flüchtlingsandrang effektiv zu verringern. Demnach sollen Flüchtlinge, die aus sicheren Drittstatten kommen, an der deutschen Grenze abgewiesen werden. Die Bundesregierung und die Kanzlerin persönlich sollten in Zeitungsanzeigen in den Herkunftsländern sowie über soziale Netzwerke verbreiten, „dass nicht politisch verfolgte Flüchtlinge kein Recht haben, nach Deutschland zu kommen und zügig abgeschoben werden“. Abgelehnte Asylbewerber sollten „zeitnah und konsequent abgeschoben“ werden.

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8 Kommentare

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  • Grundlage der Politik der CDU ist das christliche Verständnis vom Menschen und seiner Verantwortung vor Gott. Die Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit sind daraus abgeleitet.

     

    Damit handelt unsere Bundeskanzlerin, Frau Angela Merkel im Einvernehmen mit den Grundwerten der CDU, wenn Sie bei Ihrer Politik Menschen, die Hilfe brauchen, beschützt. Und in Verbindung mit dem Grundgesetz und mit dem Europäischen Recht ist die Kritik von 34 Unterzeichnern gegen Frau Merkel gegenstandslos!

  • Im Deutschen Recht (v.a. Grundgesetz!) steht geschrieben:

    1. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

    2. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Dies steht völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

    3. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

    4. Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet.

    5. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

    6. Bundesrecht bricht Landesrecht.

    7. Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes.

    Diese Rechtsgrundlagen rechtfertigen bzw. machen das Vorgehen von unserer Bundeskanzlerin unanfechtbar.

  • „34 CDU-Funktionäre aus acht Bundesländern distanzierten sich in einem Schreiben an die Kanzlerin deutlich von deren Linie und forderten klare Schritte gegen den Flüchtlingsandrang. „Die gegenwärtig praktizierte „Politik der offenen Grenzen“ entspricht weder dem europäischen oder deutschen Recht, noch steht sie im Einklang mit dem Programm der CDU“, heißt es in dem Brief, unter dessen Unterzeichnern sich KEIN (!) BUNDESTAGSABGEORDNETER befindet“.

     

    Dem möchte man widersprechen und auf die nachfolgenden Gesetze des Deutschen und des Europäischen Rechts hinweisen!

     

    Im Eropäischem Recht steht geschrieben:

     

    1. In dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität.

    2. Das Recht auf Asyl wird nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewährleistet.

    3. Kollektivausweisungen sind nicht zulässig. Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.

    4. Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Staatsangehörigen dritter Länder, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, kann gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit gewährt werden.

  • *seufz* Dieses Gefühl, wenn man Christ-Demokraten was über Nächstenliebe erzählen will...

  • Und da wundern sich noch immer Leute, dass die Zustimmung zu Merkel regelmäßig deutlich höher liegt als die Zustimmung zu ihrer Partei.

    • @Rainer B.:

      Mit der Einwanderungspolitik hat das sicher wenig zu tun. Merkels Zustimmung sinkt schneller als die der CDU.

      • @Tim Leuther:

        Welche "Einwanderungspolitik" denn? Die CDU verweigert sich seit Jahrzehnten einer Einwanderungspolitik, die diesen Namen auch verdient hätte. Und zwischen den Zustimmungswerten der CDU und denen Angela Merkels liegen doch noch immer Welten.

  • Nur 34, kein Bundestagsabgeordneter dabei?

     

    Da kann Frau Merkel heute ja ganz entspannt bei Anne Will das abgestimmte Zweiergespräch führen.

     

    Doch halt, was wohl Seehofer mit "wirksamer Notwehr" meint, darauf sollte sie schon noch eine gute Antwort finden.