Merkel ruft Obama wegen Prism an: Telefonseelsorge mit US-Vorwahl

Der US-Präsident nimmt die Sorgen der deutschen Kanzlerin wegen des NSA-Überwachungsskandals ernst. Sagt er zumindest und will mehr Informationen liefern.

Hört er zu oder hört er mit? US-Präsident Barack Obama Bild: dpa

BERLIN afp | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Barack Obama haben das weitere Vorgehen bei der Aufklärung der Datenausspähung durch den US-Geheimdienst abgestimmt. In einem Telefonat habe Obama am Mittwochabend versichert, dass er die Sorgen über das Programm sehr ernst nehme, teilte das Weiße Haus am Donnerstag mit. Nach Angaben von Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte Obama den Verbündeten „Informationen über diese Aktivitäten“ zu, was die Kanzlerin ausdrücklich begrüße.

Vor dem Telefonat hatte sich in Deutschland wachsende Kritik an Merkel aufgebaut. Die Opposition forderte sie auf, bei den USA konsequenter auf Aufklärung zu dringen und das persönliche Gespräch mit Obama zu suchen. Zuletzt hatten Merkel und Obama beim Berlin-Besuch des Präsidenten Mitte Juni direkt über die Spähaffäre gesprochen.

Bereits in der kommenden Woche sollen Gespräche zur Klärung der Vorwürfe anlaufen. Am Montag sollen Expertengruppen der USA und der EU ihre Beratungen aufnehmen, teilten die deutsche und die US-Seite mit. „Dabei soll es vor allem um Fragen der Aufsicht über die Nachrichtendienste, der Nachrichtengewinnung sowie die Themen Datenschutz und Schutz der Privatsphäre gehen“, kündigte Seibert an.

Auch eine deutsche Delegation aus Vertretern von Regierung und Geheimdiensten wird sich kommende Woche in Washington um Aufklärung bemühen. Dem Weißen Haus zufolge bekräftigten Merkel und Obama die Bedeutung einer weiteren engen Zusammenarbeit der Geheimdienste beider Länder im Kampf gegen den Terrorismus und andere Sicherheitsbedrohungen.

Gespräche über Freihandelsabkommen

Die beiden Politiker erneuerten außerdem ihre Unterstützung für das geplante transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). „Die Verhandlungen über TTIP haben weiterhin höchste Priorität, sie sollen am 8. Juli aufgenommen werden“, erklärte die Bundesregierung. Wegen des Spähskandals hatten mehrere Politiker in Europa die Gespräche in Frage gestellt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte derweil Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen die Führung des US-Geheimdiensts NSA. „Es handelt sich um einen Angriff auf in der Verfassung geschützte Grundrechte“, sagte Gabriel zu Spiegel Online. Er halte es für „angemessen, wenn die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen die Verantwortlichen der amerikanischen und britischen Geheimdienste anstrengt“. Im Zweifel müsse auch gegen die „deutschen Helfershelfer“ etwa beim Bundesnachrichtendienst (BND) ermittelt werden.

Die Grünen unterstützten Gabriels Vorschlag. Die Karlsruher Bundesanwaltschaft prüft bereits seit einigen Tagen die Möglichkeit von Ermittlungen. Ein offizielles Verfahren ist noch nicht eröffnet. Angesichts des US-Abhörskandals forderte FDP-Vizechef Christian Lindner einen vorläufigen Stopp des automatischen Datenaustausches mit den USA. Ein solcher Datenaustausch sei erst wieder sinnvoll, „wenn es ein gemeinsames Verständnis von bürgerlichen Freiheiten gib“, sagte Lindner der Welt.

Die Grünen forderten auch die Ausspähmaßnahmen deutscher Geheimdienste auf den Prüfstand zu stellen. Die Bundesregierung sei „selbst dick im Geschäft, wenn es um die Überwachung des Internets geht“, kritisierte der Grünen-Netzexperte Konstantin von Notz. Bei der Internet-Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) herrsche eine Intransparenz, die „völlig inakzeptabel“ sei.

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