Merkel besucht Putin: Beim Bohren dicker Bretter
Kanzlerin Merkel wird Wladimir Putin in Sotschi treffen. Auf der Tagesordnung: die Situation in der Ukraine, das G-20-Treffen und der Krieg in Syrien.
Nach zwei Stunden Austausch hatten beide Politiker nur wenige Ergebnisse vorzuweisen. Immerhin kamen sie überein, dass beide Seiten am sogenannten Minsk-II-Prozess festhalten wollen, der den Krieg im Osten der Ukraine beilegen soll.
„Es fehlt an der Umsetzung und nicht am Abkommen“, sagte Bundeskanzlerin Merkel und bedauerte die Maßnahmen der prorussischen Separatisten, die den Aufbau eines eigenen Staates in den „Volksrepubliken“ im Osten der Ukraine vorantrieben. An Präsident Putin gewandt meinte sie, der Waffenstillstand müsse eingehalten werden und die Ukraine Zugang zu ihren alten Gebieten erhalten. Auch Merkels Forderung, die Rechte Homosexueller in Tschetschenien zu wahren, verbesserte die Atmosphäre nicht.
Zugleich sorgten die russischen Medien dafür, dass eine andere Botschaft im Vordergrund dieses Tages stand: Der Nachrichtenkanal Rossija 24 meldete das für den Abend geplante Telefonat Präsident Wladimir Putins mit US-Präsident Donald Trump alle halbe Stunde an erster Stelle – während das Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin unter „ferner liefen“ erschien.
Dabei war Angela Merkel dem Wunsch des Kremlchefs entgegengekommen und in dessen Sommerresidenz nach Sotschi gereist, wo sich Wladimir Putin mit dem Rennen der Formel eins am Wochenende etwas Abwechslung verschaffte.
Mögliche Vorboten einer Kurskorrektur
Moskau wertete die Reise Merkels nach Sotschi bereits als möglichen Vorboten einer vorsichtigen Kurskorrektur. Die Kanzlerin war 2015 noch der Auffassung, sie werde Russland erst wieder besuchen, wenn sich im Minsk-II-Prozess auch Bewegung abzeichne. Obwohl davon kaum die Rede sein kann, reiste die Kanzlerin nun dennoch an, meinten russische Beobachter.
Das Image der Bundeskanzlerin ist in Russland schlecht. Sie wird als Anhängsel der USA porträtiert. Auch Deutschland wird wieder in Farben gezeichnet, die an die schwierigsten Zeiten des Kalten Kriegs erinnern. „Hegemoniestreben“ wirft die Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta Berlin vor. Auch immer mehr EU-Staaten würden „unter dem Joch“ Deutschlands stöhnen. Kein Zufall sei es, dass Österreich, Italien, Tschechien, Ungarn oder Griechenland bilaterale Beziehungen mit Russland auszubauen versuchten. „Russland ist nicht Griechenland“, warnte das Blatt die Politiker in Berlin am Vorabend des Treffens.
Die Iswestija geißelt Deutschland gar als „Zugpferd antirussischer Rhetorik in Europa“ und ernennt Merkel zur wichtigsten „Regisseurin“ in der EU. Russland ist verletzt: Es verzeiht Berlin nicht, dass es vor Rechtsverletzungen des Kreml und dessen Angriff auf die europäische Friedensordnung nicht die Augen verschließt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW