Menschenrechte in der Lieferkette: Australien benennt ersten Anti-Sklaverei-Beauftragten
Menschenrechtsorganisationen fordern mehr Ressourcen für das Amt und eine Sorgfaltspflicht für Unternehmen.
Der Global Slavery Index, der jährlich von Walk Free veröffentlicht wird, schätzt, dass derzeit 41.000 Menschen in Australien in Verhältnissen moderner Sklaverei leben. Dazu gehören Zwangsarbeit, sexuelle Ausbeutung oder Schuldknechtschaft. Weltweit sind es fast 50 Millionen Menschen.
Evans soll in der neuen Funktion nun Opfer und Überlebende unterstützen und „den Unternehmen helfen, das Risiko moderner Sklaverei in ihren Betrieben und Lieferketten zu verringern“, sagte Generalstaatsanwalt Mark Dreyfus bei der Ernennung.
Regierung will beim Anti-Sklaverei Gesetz nachbessern
Australien hat bereits seit 2018 ein Gesetz zur Bekämpfung moderner Sklaverei. Es verpflichtet Unternehmen, über Risiken zu berichten. Eine Überprüfung im Auftrag der Regierung 2023 befand jedoch, dass es „keine stichhaltigen Beweise“ dafür gibt, dass es „zu bedeutenden Veränderungen für Menschen geführt hat, die unter Bedingungen moderner Sklaverei leben“. Die Regierung hat daraufhin einen Reformprozess angekündigt, zu dem die Schaffung des Anti-Sklaverei-Amtes gehört.
Auch ein Bericht vom September des Bundesstaats New South Wales legt nahe, dass Australien ein großes Problem mit moderner Sklaverei hat. Insbesondere befristete migrantische Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und in der Fleischverarbeitung „sind der Gefahr von Schuldknechtschaft, betrügerischer Anwerbung, Zwangsarbeit und in extremen Fällen von Leibeigenschaft, sexueller Sklaverei oder sogar Menschenhandel ausgesetzt“, heißt es darin. Besonders betroffen sind Menschen, die im Rahmen des Pazifisch-Australischen Arbeitsprogramms (Palm) in Arbeitsverhätlnisse nach Australien vermittelt werden.
Eine davon ist Kala. Ihren richtigen Namen hat der Bericht zu ihrem Schutz geändert. Kala ist über das Palm-Programm für die Obsternte nach Tasmanien gekommen. Um die erforderlichen Verwaltungs- und Arztkosten für das Progamm zu bezahlen, verschuldete sie sich. Ihr Arbeitgeber zog jedoch auch Kosten für Unterkunft und Transporte von ihrem Lohn ab, sodass Kala nur noch 100 australische Dollar (etwa 62 Euro) pro Woche bekam. Sie geriet in eine Schuldenabhängigkeit, schaffte es aber schließlich, aus dem Programm auszusteigen.
NGOs fordern eine gesetzliche Sorgfaltspflicht, wie im deutschen und europäischen Lieferkettengesetz
Australische Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Benennung Evans’ im neuen Amt, kritisierten jedoch sein „bescheidenes Budget“ von 8 Millionen australischen Dollar. „Im Jahr 2018 haben wir uns damit gebrüstet, dass wir bei Maßnahmen gegen moderne Sklaverei weltweit führend sind, und das waren wir auch. Diesen Anspruch können wir nicht mehr erheben“, sagte Carolyn Kitto, Co-Direktorin der australischen Menschenrechtsorganisation Be Slavery Free. „Es ist eine Sache, ein Gesetz und einen neuen Beauftragten zu haben; es ist eine andere Sache, zu beschließen, diese Rolle und die Umsetzung des Gesetzes angemessen zu finanzieren.“
Zivilorganisationen fordern auch eine Reform, unter anderem die Einführung einer gesetzlichen Sorgfaltspflicht, wie sie etwa im deutschen und europäischen Lieferkettengesetz verankert ist – samt Sanktionen für Unternehmen, die keine oder falsche Angaben machen.
Ramila Chanisheff, Präsidentin einer uigurischen Frauenorganistion, verwies auf Menschenrechtsverletzungen in den ausgelagerten Lieferketten australischer Unternehmen: Ohne „konkrete Maßnahmen, um die Industrie zur Rechenschaft zu ziehen, werden Uiguren weiterhin in Produkten versklavt, die von China hergestellt oder geliefert werden.“
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