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Menschenrechte in der LieferketteEin Schritt vor, einer zurück

NGOs und Gewerkschaften werden an Beschwerdeverfahren des Lieferkettengesetzes beteiligt. Der Kanzler verspricht derweil: Das Gesetz „kommt weg“.

NGOs werfen Rewe und Edeka vor, Bananen von Plantagen zu verkaufen, auf denen Menschenrechte missachtet werden Foto: Jan Woitas/dpa

BERLIN taz | Für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in Zulieferbetrieben deutscher Unternehmen ist es ein Erfolg: Das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa), das die Umsetzung des Lieferkettengesetzes kontrolliert, wird sie in Zukunft stärker an Beschwerdeverfahren beteiligen. Das gaben die ecuadorianische Gewerkschaft Astac und die Menschenrechtsorganisationen Oxfam, Misereor und das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (Ecchr) am Mittwoch bekannt.

Die vier Organisationen haben vor fast einem Jahr Beschwerde beim Bafa eingelegt. Sie werfen den Supermarktketten Rewe und Edeka vor, gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zu verstoßen, weil sie Bananen von Plantagen verkaufen, auf denen Menschenrechte missachtet werden. Ar­bei­te­r*in­nen würden durch den Einsatz giftiger Pestizide krank, Gewerkschaften unterdrückt und unzureichende Löhne gezahlt, so die Beschwerde.

Das Bafa hat sie angenommen, so viel wissen die Organisationen. Danach sei das Verfahren für die Betroffenen „wie eine Blackbox“, erklärt Jorge Acosta, Generalkoordinator der ecuadorianischen Gewerkschaft für den Bananensektor (Astac), in der gemeinsamen Mitteilung. „Wir konnten nicht mitbestimmen, welche Maßnahmen zum Schutz unserer Rechte ergriffen werden – dabei kennen wir die Situation vor Ort am besten und sind direkt davon betroffen.“

Deswegen hat die Gewerkschaft bereits im Februar beim Bafa beantragt, als Beteiligte anerkannt zu werden und damit Akteneinsicht zu erhalten. Dem hat das Bafa nun zugestimmt. Diese Entscheidung sei richtungsweisend, erklärt Annabel Brüggemann der taz. Die Juristin begleitet beim ­Ecchr mehrere Beschwerden zum Lieferkettengesetz. Das Problem ist ein grundsätzliches. Ohne Transparenz haben die Beschwerdeführenden keine Möglichkeit, die Angaben von Unternehmen gegenüber dem Bafa zu überprüfen. Gab es ein Audit? Wurde mit Gewerkschaften oder Ar­bei­te­r*in­nen gesprochen? Hat das Unternehmen angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen? Welche? Wie bewertet das Bafa die ergriffenen Maßnahmen?

Bundesregierung will Lieferkettengesetz abschwächen

Brüggemann erhofft sich mit der Transparenz auch eine Stärkung der Betroffenen als Gesprächspartner im Verfahren. Gleichzeitig kritisiert sie, dass das Beschwerdeverfahren aufwendig für Betroffene ist und ohne Unterstützung besonders schwierig. Viele wüssten auch nicht, dass sie Akteneinsicht beantragen können. „Deshalb sollte das Bafa die Betroffenen aktiv über das Verfahren informieren“, sagt Brüggemann, „das wird mit der neuen EU-Richtlinie ohnehin Pflicht.“

Die Europäische Lie­fer­ket­ten­richt­linie wurde im Mai beschlossen und muss bis Mitte 2026 in Deutschland umgesetzt werden. Die Bundesregierung nimmt sie nun zum Anlass, das deutsche Lieferkettengesetz abzuschwächen und auszusetzen, ganz im Sinne der großen Wirtschaftsverbände, die die Regeln als bürokratisch bezeichnen.

Am Dienstag behauptete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Veranstaltung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gar, das Gesetz „kommt weg“. Richtig ist, dass die deutsche Gesetzgebung angepasst werden muss an die europäischen Regeln. Das Bundesarbeitsministerium arbeitet gerade an einem Entwurf.

Neues Rechtsgutachten

Die Bundesregierung hat im Zuge der Haushaltsverhandlungen in der beschlossenen „Wachstumsinitiative“ Verwässerungen verkündet. Berichtspflichten wurden vorerst ausgesetzt. Außerdem sollen viel weniger Unternehmen verpflichtet werden. Die FDP hatte durch die Blockade der deutschen Zustimmung im EU-Rat auch erwirkt, dass die Regeln nur noch für Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten weltweit und 450 Millionen Euro Umsatz gelten.

„Damit werden in dieser Legislaturperiode nur noch rund ein Drittel und damit weniger als 1.000 Unternehmen der bisher unter das LkSG fallenden Unternehmen direkt erfasst“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken von Anfang Oktober.

Ein Rechtsgutachten im Auftrag der NGOs Germanwatch und Oxfam kam im Juli zu dem Schluss, dass eine Reduzierung der Anzahl deutscher Unter­nehmen bei der Anpassung des deutschen Gesetz an die EU Regeln, gegen europäisches Recht verstoße. Denn das gäbe vor, dass das bereits bestehende Schutzniveau nicht abgesenkt werden dürfe. Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums will das nicht kommentieren. Die Umsetzung der Richtlinie würde „europarechtskonform“ erfolgen.

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7 Kommentare

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  • Es ist für die Regierung natürlich schwierig gleichzeitig so viele Gesetze auf den Weg gebracht zu haben, die sich direkt und so enorm auf die Verbraucherpreise auswirken.



    Das muss man den Verbrauchern besser erklären, warum es so wichtig ist, dass von ihren sinkenden Reallöhnen noch weniger übrig bleiben darf.



    Schließlich will man diese Verbraucher auch nicht fördern, sondern fordern.



    Und weil wir halt noch in einer halbwegs freien Marktwirtschaft sind, kann man den Anbietern auch nicht einfach diktieren, dass die Preissteigerungen nicht an den Endverbraucher weitergereicht werden.



    Und weil wir natürlich weg müssen von Kleinbetrieben, müssen viele dieser Gesetze einen so umfassenden Verwaltungsaufwand erzeugen, dass nur noch die großen Spieler oder staatliche Unternehmen die zusätzliche Kostenlast tragen können.



    Wo kämen wir denn hin, wenn es viele kleine und mittelständische Betriebe geben könnte?

    Die meisten dieser Gesetze sind vor allem eins: Beschleuniger für wachsene Oligopole von Großunternehmen. Kann ich als Linker nicht verstehen, warum man sowas fördert.

  • Das Gesetz ein Overkill. Vermutlich sind wir auch die einzigen, die das in Europa minutiös umsetzen werden. Oder glaubt jemand, Italien oder Frankreich würden das tun? Das Ganze läuft auf ein Zertifizierungsverfahren hinaus mit einem Persilschein am Ende. Was die wert sind, ist bei den ominösen chinesischen Umweltzertifikaten zu beobachten. Nur auf dem Papier valide, sonst alles getürkt. Die deutsche Industrie hat zZt. andere Probleme und braucht keinen bürokratischen Unsinn.

  • Ich bin kein großer Scholz-Fan, aber da hat er mal einen Punkt gemacht. Leider wird er den Punkt nicht umsetzen können.

  • Wie , das Gesetz kommt weg ?



    Wird einfach so über die Köpfe der Verbraucher, Bürger und Wähler entscholzt - äh entschieden...



    Iwie muss man ja auch die letzten demokratischen Wähler noch verärgern & vergraulen...

    • @Alex_der_Wunderer:

      Das Gesetz wurde über die Köpfe der Verbraucher, Bürger und Wähler hinweg eingeführt, jetzt - nachdem auffällt, wie bürokratisch das Ganze ist - wird es über die Köpfe der Verbraucher, Bürger und Wähler wieder abgeschwächt. Gut so. Wenn man bemerkt, dass etwas nicht passt, muss man es ändern!

      • @Bommel:

        Nudging nennt man das. Und gleichzeitig manipuliert man das Overton-Fenster.



        Man führt es gegen allen Widerstand ein. Es trifft die Bevölkerung finanziell hart. Es kommen Wahlen. Man schwächt es ab, aber es bleibt. Reduziert auf ein gerade noch ertragbares Level. Am Ende hat man trotzdem eine neue Abgabe eingeführt die auf lange Sicht ein deutlicher Kostentreiber bleibt und natürlich beim Bürger hängen bleibt.



        Der Wähler hat eben ein kurzes Gedächtnis.

      • @Bommel:

        ...ändern ja sicher, die Verantwortung und die Umsetzung zum Erhalt der Menschenrechte darf nicht ausschließlich an unsere Unternehmen weitergegeben werden.



        Ich sehe hier auch eher unser Außenministerium in der Pflicht. Es müssen mit den Herkunftsländern dieser,Produkte ,Verhandlungen & Abkommen getroffen werden.