Menschenrechte in Mexiko: Der Staat bittet um Entschuldigung
Jahrelang war Damián Gallardo Martínez unschuldig in Haft und wurde gefoltert. Die Regierung zeigt sich nun reumütig – ändert aber wenig.
Fünf Jahre und sieben Monate saß Gallardo daraufhin in einem Hochsicherheitsgefängnis. Der Vorwurf: Der Indigene aus dem südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca sollte an der Entführung zweier Unternehmerkinder beteiligt gewesen sein.
Das war am 18. Mai 2013. Auf den Tag genau zehn Jahre später hat sich die mexikanische Regierung für die Menschenrechtsverletzungen entschuldigt, die Gallardo und seinen Angehörigen von Seiten des Staates angetan wurden. „In völliger Überzeugung möchten wir Damián, seiner Familie und Gemeinde eine ehrliche und aufrichtige Entschuldigung für die Folgen dieser Maßnahmen des mexikanischen Staates aussprechen“, sagte Alejandro Enzinas, der Staatssekretär für Menschenrechte, am Donnerstag bei einem Festakt in Oaxaca de Juárez.
Rund 200 Menschen nahmen an der Veranstaltung in der Landeshauptstadt teil: Freund*innen, Gewerkschafter*innen, Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen und nicht zuletzt viele Bewohner*innen der indigenen Gemeinde Tlahuitoltepec, aus der die Familie stammt.
„Ein Tropfen Wahrheit in einem Meer der Lügen“
Gallardo konnte im Dezember 2018 das Gefängnis verlassen – wenige Wochen, nachdem Andrés Manuel López Obrador die mexikanische Präsidentschaft übernommen hatte. Seit Gallardos Verhaftung hatten Angehörige und Aktivist*innen für seine Freilassung gekämpft.
Von Anfang an bestanden keine Zweifel daran, dass die Vorwürfe konstruiert waren, um den in der Lehrergewerkschaft Sección 22 organisierten Gallardo zu kriminalisieren. Die Sección 22 galt als treibende Kraft bei einem Aufstand gewerkschaftlicher, indigener und linker Gruppen, der 2006 die Stadt über ein halbes Jahr lang lahm legte. Zudem steht der Lehrer, der im April auch auf dem taz-lab diskutierte, für den Kampf um indigene Autonomie.
Nachdem in Mexiko kein faires Verfahren möglich war, zogen Gallardos Unterstützer*innen vor internationale Gremien. UN-Institutionen wie die Arbeitsgruppe gegen willkürliche Verhaftungen, der Ausschuss gegen Folter, der Menschenrechtsrat in Genf und weiteren Einrichtungen gaben ihnen recht. „Der Fall von Damián spiegelt die strukturelle Herausforderung wider, mit denen der mexikanische Staat konfrontiert ist, um die Folter zu bekämpfen“, sagte Alán García, der Vertreter des UN-Hochkommissariats in Mexiko auf der Veranstaltung.
Staatssekretär Encinas hob indes die Bemühungen des linken Präsidenten López Obrador hervor, den Menschenrechten im Gegensatz zu seinen neoliberalen Vorgängern Geltung zu verschaffen. Seit dessen Amtsübernahme wurden mehrere hundert politische Gefangene freigelassen.
Gefoltert wird jedoch weiterhin. Amnesty International zufolge wurden seit 2018 über 14.000 Menschen von staatlichen Kräften gefoltert sowie inhuman oder erniedrigend behandelt. Und López Obrador verteidigt trotz internationaler Kritiken ein umstrittenes System der Präventivhaft, durch das zahlreiche Menschen zu Unrecht hinter Gitter sitzen.
Dennoch sprach Yesica Sánchez von der Organisation Consorcio, die Gallardo in einem Kampf begleitet hat, von einem „historischen Tag für Oaxaca“. Tatsächlich entschuldigt sich die Regierung nur selten, so etwa im Fall von 43 Studenten, die 2014 von Polizisten und Kriminellen verschleppt wurden.
Sánchez betonte, dass die Entschuldigung Folgen für die Familie, die indigene Gemeinde und soziale Bewegungen habe. Gallardo erinnerte daran, dass weiterhin Menschenrechtsverteidiger kriminalisiert und verfolgt würden. „Dieser Festakt ist ein kleiner Tropfen Wahrheit in einem Meer der Lügen“, sagte er.
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