Mensch-Tier-Beziehungen: Wo die Liebe hinbellt
Laut einer Befragung ersetzen Hunde und Katzen zunehmend Menschen als Freund:innen und Partner:innen. Warum alle von dieser Entwicklung profitieren.
O b getrocknet als Beef Jerky, gegrillt als Würstchen oder ganz lebendig als bester Freund des Menschen – Tiere können in fast jeder Lebenslage Beistand leisten. Auch als Partner:innenersatz scheinen sie häufig zu dienen. So gaben neun von zehn der insgesamt 1.101 Teilnehmenden einer aktuellen Befragung der Uelzener Versicherung an, dass der Kontakt zu ihren Katzen und Hunden vermehrt menschliche Beziehungen ersetzen würde. Eine Studie der Universität Basel fand zudem bereits 2022 heraus, dass das Streicheln eines Hundes zu ähnlichen kognitiven Reaktionen führen kann wie die soziale Interaktion mit Menschen.
Überraschend ist das Verlangen nach tierischer Begleitung nicht, denn Einsamkeit ist zu einer Art Volkskrankheit geworden. Laut der im April erschienenen Zeitverwendungsstudie des Statistischen Bundesamts fühlt sich jeder sechste Deutsche oft einsam. Das Gefühl, das viele wohl spätestens während der ersten Coronalockdowns kennengelernt haben, ist auch nach Ende der Einschränkungen nicht verschwunden.
Und begonnen hat die Epidemie Einsamkeit auch nicht erst mit Corona. Menschen verbringen, wie die Zeitverwendungsstudie ebenfalls zeigte, deutlich mehr Zeit auf Social Media und vor dem Fernseher. Likes und Follows aktivieren das Belohnungssystem und können als Ersatz für echte soziale Begegnungen dienen.
Doch zuweilen kann das Smartphone zu hart und kantig werden. Außerdem: Konflikte bleiben auch auf Social Media nicht aus. Es braucht also einen Ersatz, der wirklich etwas taugt – weil er den Menschen einfach so nimmt, wie er ist.
Keine Widerworte, kaum Bedürfnisse
Besonders eignen sich dafür jene Wesen, die keine Widerworte geben können und auch sonst kaum Bedürfnisse haben. Ein wenig Fleisch aus der Dose, ein Spaziergang und zwei Kuscheleinheiten am Tag und schon wird man von den felligen Freunden mit bedingungsloser Liebe überschüttet. Den befragten Hunde- und Katzenbesitzer:innen ist natürlich vollstes Verständnis entgegenzubringen. Wer wünscht sich schon nicht, dass Beziehungspartner:innen endlich damit aufhören, einen mit all ihren Bedürfnissen zu nerven?
Beziehungen zu Menschen sind kompliziert. Sie bestehen aus anstrengenden Aushandlungsprozessen, nervigem Füreinanderdasein und ermattenden Diskussionen. Bei Tieren sieht es anders aus. Die hierarchische Position des Menschen muss hier nicht erst jahrelang durch toxische Verhaltensmuster – emotionale Erpressung, Dominanz und Konfliktunfähigkeit – aufgebaut werden. Weniger berechenbar als Hund und Katze sind menschliche Partner:innen ohnehin meist.
Die ganze Last, die menschliche Leidtragende von zwischenmenschlichen Beziehungen bisher tragen mussten, nehmen Hund und Katze gerne auf sich. Wie ehrenvoll! So muss das kleine und große Gejammer des Menschen im Alltag weniger von Menschen ertragen werden.
Das Verhältnis von Mensch und Tier ist seit jeher ohnehin ein sehr besonderes. Für Jäger und Sammler dienten Tiere als Überlebensgarantie, später als Transportmittel und schließlich begann vor ungefähr 15.000 Jahren die Domestizierung von Hund und Katze. Diese Beziehung hat sich über Jahrtausende immer wieder verändert.
Lebendiger Stoßdämpfer
Ein wenig bizarr ist dennoch, wenn in der Gegenwart der Kauf des Hacksteaks für 1,99 Euro vom Aldi und die gleichzeitige Vergötterung des Haustieres – inklusive Tausender Euro, die jährlich für Fressen und Versicherung von Hund und Katze aufgebracht werden – miteinander vereinbar sind.
Die Versicherung, die die anfangs genannte Umfrage veröffentlichte, dürfte von den Ergebnissen selbst begeistert sein – schon seit 1984 bietet das Unternehmen Versicherungen für Haustiere an. Wer statt Partner:in nur ein Haustier besitzt (das Besitzen ist hier im Vergleich wohl auch leichter zu regeln), wird eher bereit sein, viel Geld für eine Versicherung des geliebten Vierbeiners auszugeben.
Am Ende kann die gekaufte Liebe der Tiere eine gute zwischenmenschliche Beziehung vielleicht doch nicht ganz ersetzen. Wenigstens aber können Haustiere mit ihren süßen, unschuldigen Augen und dem weichen Fell als eine Art lebendiger Stoßdämpfer dienen.
Denn wenn all die destruktiven Bedürfnisse des Menschen schon an felligen Freunden ausgelassen werden können, schafft das möglicherweise auch bessere Voraussetzungen für den Umgang mit anderen Menschen, die realistisch betrachtet nie ganz zu vermeiden sind.
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