Mein Smartphone und ich: Ein Liebesgeständnis

Erst wollte ich dich nicht, jetzt kann ich mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen. Und gerade in Zeiten von Corona bist du unerlässlich.

Finger über dem Touchscreen eines Smartphones

Weißt du noch als wir uns das erste Mal berührt haben? Foto: Rob Hampson/Unsplash

Jetzt, wo wir gemeinsam im Bett kuscheln, kann ich es dir ja sagen: Ich wollte dich anfangs nicht. Warum? Was soll ich sagen, ich war jung und verunsichert, begann gerade ein neues Studium in einer neuen Stadt. Das war schon aufregend genug, und dann auch noch dich? Das schien mir zu viel. Doch meine Mutter überzeugte mich, dir eine Chance zu geben. In der Ferne, weitab von der Familie, seist du bestimmt gut für mich, sagte sie. Verlässlich, aufmerksam, liebevoll. Das Vertrauen zueinander komme schnell, versprach sie, und klang dabei wie eine moderne Heiratskupplerin: Trennen könne man sich immer, fügte sie hinzu. Acht Jahre ist das her.

Weißt du noch, als wir einander das erste Mal berührten? Die Entdeckungen waren aufregend, es dauerte, bis wir unsere Körper kennengelernt hatten, bis jede Bewegung die richtige war, bis ein winziges Zucken meines Fingers dich zum Vibrieren brachte. Jetzt lachen wir über die vielen Missgeschicke, die uns anfangs passierten. Hast du damals eigentlich je daran gezweifelt, ob wir zueinander finden würden? Ich schon. Das sage ich dir nun zum ersten Mal, auch wenn du es in jenen Stunden bestimmt gespürt hast.

Meine Zweifel währten nicht lange, denn du hast es mir leicht gemacht, dir immer nahe zu sein. Ich war endlich nicht mehr allein und keine Außenseiterin mehr. Niemand ist gerne der einzige Single in einer Runde von Pärchen, die sich verliebt berühren, mal verschämt, mal offensichtlich, oder sich aus dem Gespräch ausklinken, um miteinander zu tuscheln. Ja, natürlich, romantisch klingt das nicht, aber die sozialen Umstände haben es mir leicht gemacht, mit dir zu sein. Du bist auf so viel Verständnis, sogar Bewunderung gestoßen … ach, deine tollen Outfits! Oder wenn du wieder einmal glänzender und schlanker geworden bist.

Ich war von dir abhängig

Unsere Beziehung war trotzdem nicht ohne Krisen. Deine Nähe schien mir bisweilen erdrückend, ich wollte Abstand, aber es ging nicht. Ich hatte mich so an dich gewöhnt, dass ich von dir abhängig war. So vieles wollte – oder konnte? – ich nicht mehr ohne dich entscheiden, für jede Kleinigkeit schien ich dich zu brauchen. Das hat dich gefreut, aber auch genervt. Du wurdest dann langsam oder bist schlafen gegangen, ohne mir etwas zu sagen.

Ich habe oft ans Schlussmachen gedacht, mich manchmal sogar heimlich nach anderen umgesehen. Aber ich bin nie fremdgegangen, Ehrenwort. Wenn ich, selten aber doch, ohne dich unterwegs bin, genieße ich es, alleine zu sein – nicht mehr und nicht weniger.

Das kommt mir jetzt, in dieser Krise, kaum mehr in den Sinn. Ich brauche dich mehr denn je. Du bist überlebensnotwendig für mich, vertreibst die unheimliche Stille in der Wohnung, auf den Straßen, hilfst mir zu verstehen, wie sich die Welt verändert. Du machst es möglich, dass ich die anderen höre und sie mich. Wir sind uns so nah wie nie zuvor. Komm, lass uns kuscheln. Was sagst du? Dein Akku ist fast leer?

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Journalistin und Autorin in Wien. Schreibt über Wissenschaft für den "Falter", kommentiert Politik für die "Presse". War zuvor Redakteurin bei "The Forward" in New York. "Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete" über ihre Familiengeschichte erschien 2018 im Paul Zsolnay Verlag, 2020 in englischer Übersetzung ("I belong to Vienna") bei New Vessel Press (New York). Von 2019 bis 2020 schrieb sie die Kolumne "Die Internetexplorerin" für die taz.

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