Mehr Feiertage braucht das Land: Gut gechillt ist halb geschuftet
Um die Wirtschaft anzukurbeln, schlagen die Bosse vor, einen Feiertag zu streichen. Dabei braucht es für mehr Wachstum mehr Feiertage.
D em „Humankapital“, wie die Wirtschaftswoche arme Schweine nennt, die für die Boni ihrer Chefs roboten gehen, soll nun auch noch ein Feiertag gestrichen werden; vorzugsweise im Sommer, damit es auch das Baugewerbe mit der vollen Breitseite trifft.
Der von Wirtschaftsexperten geäußerte Vorschlag wird laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zusätzlich 8,6 Milliarden Euro in die klammen Kassen spülen und so die negativen Folgen der demografischen Entwicklung kompensieren. Denn eine immer älter werdende Gesellschaft arbeitet immer weniger Stunden. Alle haben Rücken. Zur Strafe droht nun kollektives Nachsitzen.
Davon abgesehen, dass es klüger wäre, weniger junge Menschen abzuschieben, unterläuft den Befürwortern der Maßnahme ein gravierender Denkfehler. Denn Feiertage sind nicht, wie besagte Wirtschaftsheinis meinen, die sich noch nie in ihrem Leben die Hände schmutzig gemacht haben, einfach nur unverdiente Geschenke an notorische Faulpelze, denen man nur fest genug in den Arsch treten muss, damit sie umso fleißiger springen. Sie sind vielmehr Kraftquellen für Erschöpfte und Motivationsanker für Ausgebrannte.
Was bringt es, wenn sich die Leute müde und traurig zur Arbeit schleppen? Und gerade Ältere müssen, wie der Autor aus eigener Erfahrung weiß, im Grunde fast jeden Tag freihaben, um sich ihre optimale Leistungsfähigkeit zu erhalten. Dafür hauen sie danach auch gleich viel besser rein.
Mehr, mehr!
Wir brauchen also mehr Feiertage und nicht weniger. Feiertage machen gute Laune und erhöhen deshalb mittelfristig die Produktivität. Denn gut gechillt ist bereits halb geschuftet. Nicht zufällig sind die Länder mit den meisten Feiertagen (Bayern und Baden-Württemberg) auch die mit der höchsten Wirtschaftsleistung.
Am besten, die Leute haben so viele freie Tage, dass sie ihnen schon zu den Ohren rauskommen und sie sich vor lauter Langweile nach ihrem Arbeitsplatz sehnen – einfach nur der Abwechslung halber und damit sie irgendwas zu tun haben. Außerdem kurbeln Feiertage seit jeher den Konsum an. Lebkuchen und Spekulatius ab Ende August, Marzipanostereier ab Neujahr – da qualmen doch die Schornsteine in der Genussmittelindustrie, brummt der Privatverkehr durch Kurzurlauber und Verwandtenbesuche, werden neue Schokohasengießer eingestellt.
So ein neuer Feiertag ist schnell geschaffen. Nehmen wir aus halbwegs aktuellem Grund zum Beispiel die Umstellung der Uhren auf Sommerzeit. Warum zum Henker gibt es eigentlich kein Zeitumstellungsfest? Das würde bei entsprechender Gestaltung gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen ist wegen der jetlagartigen Belastung das Arbeiten in den ersten Tagen nach dem Zeitenwechsel sowieso nicht zumutbar. Die Arbeitskräfte sind völlig k. o. Was da alles passieren kann (Kreissäge!) – also besser, sie bleiben ganz zu Hause.
Und dort wird dann gefeiert, aber mal so richtig. Eigens lancierte Bedürfnisse helfen auch hier der Wirtschaft auf die Sprünge. Die Uhrenindustrie boomt, weil man einander zu diesem Anlass lustige oder wertvolle Wecker schenkt. Überall werden Schlafbrillen aus Seide, Kuckucksuhren aus Hefeteig, Schokoladenmurmeltiere und -siebenschläfer angeboten. Wenn um zwei Uhr nachts die Uhren eine Stunde vorgestellt werden, gibt es Feuerwerk und Champagner. Die Glocken läuten Sturm, die Ohrstöpselindustrie frohlockt. Und nur eine Woche später gehen alle wieder glücklich zur Arbeit.
Warum nicht Sankt Nimmerlein?
Die Kirchen sind übrigens gegen den Vorschlag der bösen Wirtschaftsvertreter – kein Wunder, gehört doch das Erfinden skurriler Feiertage zu ihren Kernkompetenzen. Dafür, dass die Kirchen unseren Wunsch nach mehr statt weniger Feiertagen unterstützen, sollen sie ruhig von uns belohnt werden. Und zwar mit zusätzlichen kirchlichen Feiertagen, am liebsten ebenfalls im Sommer: Am 1. Juli feiern wir in Zukunft den heiligen Bimbam, am 15. Juli Sankt Nimmerlein und am 1. August noch irgendeine Sause mit einem Leprakranken im Lendenschurz.
Apropos Sommer. Warum haben eigentlich nur Schulkinder hitzefrei? Es trüge nicht bloß dem Klimawandel Rechnung, wenn sich ab 27 Grad im Schatten bei VW, Siemens oder Rheinmetall um zwölf Uhr mittags die Werkstore öffneten und fröhlich schreiende Mitarbeiter in die Freibäder entließen. Nein, auch dort wird ja munter weiterkonsumiert: Fritten, Badekleidung, Speiseeis. Es müssen also nicht immer volle Feiertage sein. Auch schon hie und da ein paar Stunden weniger könnten in puncto Arbeitsmoral und Privatkonsum wahre Wunder bewirken.
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