: Mehr Baggerfahrerinnen, bitte!
Stereotype Nächste Woche lädt das Technikmuseum Kinder dazu ein, Seifenkisten zu bauen. Vermutlich werden mehr Jungs als Mädchen kommen. Warum eigentlich?
von Susanne Messmer
„Seifenkisten-Workshop? Autos konstruieren?“ Die Stimme der Mutter der Freundin meiner Tochter klingt müde am Telefon. „Können wir nicht lieber an den See fahren?“
Ich versuche, sie mit den besseren Argumenten zu überzeugen: Wer hat schon das Glück, ein Technikmuseum in der Stadt zu haben, wo Kinder im Sommerferienprogramm eingeladen sind, selbst zu schrauben? „See geht doch immer“, sage ich. „Komm schon, wir haben ihnen doch immer die Barbies weggenommen“, setze ich noch einen drauf. Aber es hilft nichts, sie bleibt beim Badeausflug.
Gespräche wie diese führe ich nicht nur mit der Mutter der Freundin meiner Tochter, sondern immer wieder mit Freunden, mit Kollegen, mit Wildfremden auf dem Spielplatz oder im Kindercafé. Immer wieder lese ich Texte von Autorinnen, die davon erzählen, wie sie früher Judith Butler verehrten und felsenfest daran glaubten, Geschlecht sei eine gesellschaftliche Zuschreibung – die aber heute, als Mutter, vollständig von diesem Glauben abgekommen sind.
Ich gebe zu: Die Geburt ist das eine. Sie ist ein Erlebnis, das man nur als Frau haben kann. Sie ist eine Grenzerfahrung, eines der letzten Dinge, die nicht zu rationalisieren sind, die keine Sprache haben. Ich habe noch keinen Text über eine Geburt gelesen, der annähernd beschreibt, was ich bei meinen Geburten erlebt habe. Dasselbe lasse ich gerade noch fürs Stillen gelten. Nach der Geburt und dem Stillen aber kommt erst der echte, der komplizierte Part des Kinderhabens.
Die Mutter der Freundin meiner Tochter ist eine vernünftige Frau. Sie trägt vorwiegend Jeans, schminkt sich nicht, geht auf Rockkonzerte, fährt mit ihren Töchtern gern zelten, verzichtet aufs Auto in der Stadt. Sie hält es für wichtig, sich selbst zu verwirklichen, und betreibt eine preisgekrönte Webseite. Kürzlich aber wunderte sie sich trotzdem darüber, dass ihre Tochter am liebsten in Stöckelschuhen und mit perlenbesetzter Handtasche in der Wohnung herumtrippelt. Ich traute mich nicht, zu sagen: „Dein Mann ist bei euch der Familienernährer.“ Und: „Du fasst keine Bohrmaschine an.“ Und: „Wer liest bei euch eigentlich vor, und wer macht die Steuererklärung?“
Ich habe eine Tochter und einen Sohn, und ich glaube noch immer daran, dass Biologie kein Schicksal – dass Geschlecht zum großen Teil eine gesellschaftliche Setzung ist. Ich bemühe mich täglich, meinem Freund mehr Hausarbeit aufzubrummen, und versuche mich wenigstens hin und wieder selbst zu überlisten und mit einer Säge und einem Schraubenzieher in Aktion zu treten.
Das Sommerferienprogramm des Junior Campus am Deutschen Technikmuseum findet bis zum 2. September statt. Wo? Trebbinerstraße 9, 10963 Kreuzberg.
Am Dienstag, den 2. August von 10.30 bis 13.30 Uhr, dürfen Kinder ab sechs Jahren und mit Begleitung Autos konstruieren. Mit einem einfachen Steckprinzip lassen sich abgefahrene Vier- oder Zweiräder bauen. Kleine Metallbausätze werden zu Autos mit Elektroantrieb zusammengeschraubt. Kosten: Museumseintritt. Ohne Anmeldung.
Am Donnerstag, den 4. August von 10.30 bis 13 Uhr, dürfen Kinder ab 8 Jahren und mit Begleitung an einem Seifenkisten-Workshop teilnehmen. Aus vorgefertigten Teilen werden Seifenkisten zusammengeschraubt. Bei trockenem Wetter gibt es anschließend eine Probefahrt im Park. Kosten: Museumseintritt zuzüglich 5 Euro Materialkosten. Anmeldung unter: www.sdtb.de/spectrum. (sm)
Ich störe mich daran, dass Lego für Jungs immer in Blau und Grün daherkommt und Lego für Mädchen in Lila und Rosa. Ich verabscheue Barbies und finde Bob den Baumeister bescheuert. Ich kaufe meiner Tochter Piratenkostüme und mein Sohn macht Ballett. Zum zweiten Geburtstag verschenkte meine Tochter ihre Spielküche, die sie kaum benutzt hat, an meinen Sohn. Dafür bekam sie von uns eine Werkbank.
Der Kampf geht weiter, er wird frühestens in zehntausend Jahren vorüber sein, wenn uns die Evolution endlich eingeholt hat. Denn mein Sohn begeistert sich für Bagger und Laster und Kräne, je größer, desto besser – und das obwohl mein Freund und ich mit Mühe und Not einen Porsche von einer Ente unterscheiden können. Meine Tochter ist verrückt auf Pferde, die wir beide vor allem irgendwie zu groß finden.
Wir setzen dem nichts entgegen, wir sind ja keine Spielverderber. Aber nächste Woche versuche ich trotzdem, mit meiner Tochter ins Technikmuseum zu gehen. Ob mit oder ohne Freundin.
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