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Mehr Anfragen nach AtomkatastropheBis zu acht Mal mehr Ökostrom

Die Nachrichten von der Atomkatastrophe in Japan haben die Nachfrage nach Ökostrom in die Höhe schnellen lassen. Rund 18 Prozent des Stroms in Deutschland kommt aus Erneuerbaren.

Populär bei wechselwilligen Stromkunden: Windräder. Bild: dapd

FRANKFURT/MAIN afp | Die drohende Atomkatastrophe in Japan lässt in Deutschland offenbar die Nachfrage nach Ökostrom steigen. Verbraucherportale und Ökostrom-Anbieter verzeichneten seit dem Wochenende ein wachsendes Interesse an entsprechenden Produkten und deutlich mehr Vertragsabschlüsse, wie sie der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag mitteilten. An der Strombörse könnten die Preise unterdessen bald steigen.

Bei Greenpeace Energy etwa hätten sich seit dem Wochenende die Anmeldungen über das Internet im Vergleich zum normalen Niveau mehr als verachtfacht, sagte ein Unternehmenssprecher. Per Fax oder Telefon seien doppelt so viele Verträge abgeschlossen worden als sonst. Auch das Informationsbedürfnis der Verbraucher sei gestiegen. "Wir hatten am Montag ein Telefonaufkommen, das doppelt so hoch war wie an einem normalen Montag", sagte der Sprecher.

Ähnlich war die Situation beim Ökostrom-Anbieter Lichtblick: Allein am Samstag und Sonntag habe das Unternehmen drei Mal so viele Onlineverträge abgeschlossen, sagte eine Sprecherin. "Die Zugriffszahlen auf unsere Webseite haben sich am Wochenende zwischenzeitlich vervierfacht", fügte sie hinzu.

Auch die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) spüren eigenen Angaben zufolge die gestiegene Nachfrage. "Das fing am Sonntag an, mit den Anfragen per Mail", sagte eine Sprecherin. Mittlerweile sei die Zahl der Anfragen um bis zu 40 Prozent gestiegen, auch die Zahl der Vertragsabschlüsse nehme zu.

Verbraucherportale wie Verivox, Check24 oder Toptarif registrieren nach eigenen Angaben ebenfalls eine deutlich erhöhte Nachfrage nach Ökostrom. Schon gleich am Freitag sei das Interesse an umweltfreundlich produzierten Energien merklich angestiegen, sagte ein Verivox-Sprecher.

Unter Anbietern und Verbraucherportalen gilt es als bekanntes Phänomen, dass die Wechselbereitschaft der Stromkunden dann merklich zunimmt, "wenn das Thema Atomkraft viel Raum in der öffentlichen Diskussion einnimmt", erklärte Toptarif. Vor Japan sei das zuletzt anlässlich der Debatte um die Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke der Fall gewesen. Auch nach der Pannenserie im Atommeiler Krümmel 2009 hatten die Ökostrom-Anbieter ein deutliches Mehr an Kunden verkündet. Hinzu kommt Toptarif zufolge, dass es mittlerweile eine Vielzahl entsprechender Anbieter am Markt gibt. Unter ihnen könnten sich die Verbraucher gute Ökostrom-Angebote heraussuchen.

Derweil müssen sich Verbraucher mittelfristig auf höhere Strompreise einstellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstag angekündigt, die sieben ältesten Atommeiler - zumindest vorübergehend - stillzulegen. Der dadurch wegfallende Atomstrom, werde zwar zum Teil durch Ökostrom ersetzt, "das wird aber nicht ausreichen, um die Verknappung ganz zu kompensieren", erklärte Verivox. Die Verknappung wiederum ließe die Preise an der Strombörse steigen. Mittelfristig würden dann auch die Verbraucherpreise zulegen.

Aktuellen Zahlen der Deutschen Energieagentur (Dena) zufolge wurden 2010 rund 18 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien gewonnen. Die Atomenergie machte noch 22,4 Prozent der Stromerzeugung aus.

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11 Kommentare

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  • N
    Nicole-Mehr

    Die Katastrophe in Japan hat wirklich zu einem Umdenken geführt. Die Nachfrage nach Ökostrom ist gewaltig gestiegen. Eine Verknappung ist derzeit nicht zu befürchten, denn in 2010 wurde zehnmal so viel "grüner Strom" produziert wie verbraucht wurde.

     

    http://blog.123energie.de/okostrom---die-welle-nach-japan/

  • HE
    Heike Ewers

    ja, das können wir bestätigen.

     

    Die Anfragen auf unseren Ökostrom Bereich (http://www.stromauskunft.de/de/html/oekostrom.html) haben sich seit den schlimmen Ereignissen in Japan vervielfacht (ca. 10 Mal so viel Anfragen wie vor der Katastrophe). Der Anteil der abgeschlossenen Ökostromtarife liegt seitdem bei rund 75%, d.h. 3 von 4 abgeschlossenen Verträgen sind Ökostromtarife. Vor einem Jahr lag dieses Verhältnis noch bei 3 von 10.

  • D
    David

    Ökostrom ist nicht gleich Ökostrom. Ich kann nur sagen das auch die Produktion von Solarzellen überhaupt nicht grün ist. Hab einige Jahre da gearbeitet und was da an hochgiftigen mit schwermetallen belaster Müll entsteht, dass wollt Ihr gar nicht Wissen. Und was bringen denn hohe Umweltstandarts in Deutschland wenn man die Silizium Wafer aus China holt. Da wird die hochgiftige Chemie in die Trinkwasserseen abgelassen und die kontaminierte Abluft geht in die Luft. Das sind Erfahrungsberichte die ich Los werden musste bevor hier alle denken es geht auch sauber. Klar ist alles besser als Atomenergie aber man sollte schon noch ein paar Details zu dem achso sauberen Solarstrom wissen. Genauso ungewiss ist auch die Entsorgung der abgelaufenen Module aber egal.

  • T
    tystie

    Es ist uneingeschränkt begrüßenswert, wenn sich Menschen endlich dazu entschließen, die Stromanbieter hin zu Ökostrom zu wechseln.

    Je mehr, desto besser!

    Fallende Aktienkurse für die kriminellen Vier, steigende für Ökounternehmen und zahlreiches Wechseln der Anbieter führen genau in die Zukunft, die uns von dem Albdruk der Weitererzeugung von Atommüll erlösen kann.

  • I
    inspektor

    Schön zu hören, daß es mehr Interesse an "Ökostrom" gibt :-) Merkwürdig nur daß der vierte Anbieter von "reinem" Ökostrom fehlt....was hat die taz nur gegen die naturstrom AG ? Alle vier wie immer gelistet auf www.atomausstieg-selber-machen.de Ansonsten ist zu wünschen daß nunmehr endlich noch viel mehr Menschen wechseln, so traurig der Anlass auch sein mag....

  • T
    tatze

    das sieht man mal wie schlecht die leute informiert werden. strom wird nur teuer da er an der börse gehandelt wird, das hat mal rein gar nichts mit dem abschalten der veralteten meiler zu tun. durch wartungsarbeiten waren bereits vor 2 jahren die hälfte der meiler gleichzeitig für kurze zeit abgeschaltet und da hat nirgends auch nur eine birne geflackert. oft kommt der vorhandene öko-strom nicht zum zug, da die ganzen leitungen mit dem atomstrom "blockiert" ist. wohin mit all dem ökostrom wenn eh schon alles doppelt und dreifach atomar ausgelastet ist?!

  • T
    tatze

    das sieht man mal wie schlecht die leute informiert werden. strom wird nur teuer da er an der börse gehandelt wird, das hat mal rein gar nichts mit dem abschalten der veralteten meiler zu tun. durch wartungsarbeiten waren bereits vor 2 jahren die hälfte der meiler gleichzeitig für kurze zeit abgeschaltet und da hat nirgends auch nur eine birne geflackert. oft kommt der vorhandene strom nicht zum zug, da die ganzen leitungen mit dem atomstrom "blockiert" ist. wohin mit all dem ökostrom wenn eh schon alles doppelt und dreifach ausgelastet ist?!

  • C
    Chris

    Hat sich an der im Artikel unter http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/stromexportweltmeister-deutschland/ beschriebenen Situation im letzten halben Jahr irgendetwas geändert?

     

    Ich denke mal nicht...

  • F
    Fordler

    "Der dadurch wegfallende Atomstrom, werde zwar zum Teil durch Ökostrom ersetzt, "das wird aber nicht ausreichen, um die Verknappung ganz zu kompensieren", erklärte Verivox. Die Verknappung wiederum ließe die Preise an der Strombörse steigen. Mittelfristig würden dann auch die Verbraucherpreise zulegen".

    Wie? Ist doch angeblich genug Öko Strom da, oder? Wo soll denn der angebliche Öko Strom herkommen, wenn 8 mal soviel bestellt wird?

  • F
    frage

    warum wird der strom teurer?

    verstehe ich nicht. wenn die nachfrage gleich bleibt und gedeckt werden kann, warum dann eine preiserhöhung???

  • V
    vic

    Das wird aber auch Zeit.