Mega-Box-Event in den USA: Geld versus Geld
Der Boxer Floyd Mayweather und MMA-Kämpfer Conor McGregor steigen in Las Vegas in den Ring. Um Sport geht es bei der Show nicht wirklich.
Der amerikanische Late-Night-Talker Jimmy Kimmel versuchte in der vergangenen Woche ernsthaft, etwas Sportliches über das Event herauszufinden, und fragte Mayweather, wie er sich in der Vorbereitung so fühle. „Ich fühle mich wie Geld, Mann!“, sagte Mayweather und lachte herzlich über sein, ja, was?, sein Bonmot, seine Ehrlichkeit, seinen Gag?
Ein Boxer gegen einen Mixed-Martial-Arts-Kämpfer, das ist die vordergründige Konstellation des Kampfes, der in der Nacht zum Sonntag in der T-Mobile-Arena in Las Vegas steigen wird. Doch schon der Umstand, dass nach Boxregeln gekämpft wird, zeigt, dass Mayweather das Ding gewinnen wird. Ginge es nach den wesentlich freieren Regeln des MMA, die neben Boxen auch Kickboxen, Karate, Judo und noch ein paar mehr Kampfsportarten vereinigen, dürfte der Ire McGregor eher als Favorit in den Ring steigen als der Amerikaner Mayweather.
Die hintergründigere Konstellation des Kampfes sind die unglaublichen Börsen, die gezahlt werden. Vor zwei Jahren hatte Mayweather schon den als „Kampf des Jahrhunderts“ promoteten Fight gegen Manny Pacquiao von den Philippinen gewonnen und um die 400 Millionen Dollar eingestrichen. Dieses Mal könnte es noch mehr werden.
Dabei war es damals ein Boxkampf, sogar um einen Titel: Weltergewichts-Super-Champion von drei Verbänden. Da war den Organisatoren noch klar, dass einem Event, das sie als „Fight of the Century“ verkaufen wollen, wenigstens ein bisschen mehr Sinn eingehaucht werden muss. Mit Mayweather stand ein brutaler Schläger im Ring, der wegen des Verprügelns seiner Freundin vorbestraft ist. Und mit Pacquiao ein aalglatter Aufsteiger, der für die Liberale Partei im philippinischen Parlament sitzt. Mayweather verkörpert den Typus, der für eine dreistellige Millionengage alles, wirklich alles macht. Und Pacquiao den, der sich als evangelikaler Christ inszeniert und etwas gegen Schwule hat.
Damals standen also Geld vs. Gott im Ring – und Gott gewann. Das war, zugegeben, nicht viel im Vergleich zu früheren „Jahrhundertkämpfen“. Die hatten noch von Demokratie vs. Faschismus (Joe Louis vs. Max Schmeling 1938), von Bürgerrechtsbewegung vs. US-Establishment (Muhammad Ali vs. Joe Frazier 1971) oder von Dritter Welt vs. Imperialismus (Muhammad Ali vs. George Foreman 1974) gehandelt. Aber, immerhin, das billige Abklatschmärchen enthielt wenigstens das Gran einer bedeutenden Frage.
Jetzt aber steckt nicht mal im Umstand, dass Mayweather schwarz und McGregor weiß ist, irgendeine Botschaft. Auch nicht, dass der eine die USA vertritt, der andere aus Irland, dem „Old Europe“ kommt, vermag eine Symbolik zu mobilisieren. Alles, was an diesbezüglichen Vorwürfen von der einen oder anderen Seite kommt, ist so aufgesetzt und inhaltsleer, dass es beim Zuhören wehtut.
Nur Geld vs. Geld ist die Symbolik dieses Kampfes. Fernsehmarktanteile des Boxens vs. die Fernsehmarktanteile der MMA. Dass das für die Akteure und für die unmittelbar Beteiligten von Bedeutung ist, leuchtet ein. Aber wen sonst soll das reizen? Soll man dem Geld die Daumen drücken? Oder dem Geld?
Dem Profiboxen in den USA sind in den vergangenen Jahren die Anteile am Sportfernsehmarkt dramatisch weggebrochen. Starke US-Boxer wurden in den höheren Gewichtsklassen von Boxern aus der früheren Sowjetunion verdrängt (am berühmtesten: die Klitschkos), bei den leichteren Kämpfern waren lateinamerikanische und asiatische Boxer erfolgreicher. Und auf dem heimischen Markt Nordamerika ist MMA mit dem Verband UFC an der unübersichtlichen Zahl der Boxverbände vorbeigezogen.
So sehr, dass die UFC im vergangenen Jahr die Fernsehrechte für vier Milliarden Dollar an den Vermarkter WME-IMG verkaufen konnte. Indem die UFC der Mayweather-Show zustimmt, vermutet Daniel Roberts vom Branchendienst Deadspin, verdient er an McGregor in diesem Jahr wenigstens irgendetwas.
MMA steckt also in einer Art Sättigungskrise, gerade UFC-Superstar McGregor hat Probleme, lukrative Gegner zu bekommen. Und das Profiboxen wurde verdrängt. Zwei sehr unterschiedliche Krisen zweier sehr unterschiedlicher Sportarten kommen da zusammen, die das skurrile Event in Las Vegas zu einem Ereignis machen, das sich lohnen soll.
Und wird. Schon die PR-Tour der beiden Kontrahenten mit als „Pressekonferenzen“ inszenierten Anheizevents zog 50.000 Fans an. Die Videos der Veranstaltungen, die aus wenig mehr als Brustgetrommel und dem wahllosen Austausch von Obszönitäten bestanden, wurden 33 Millionen Mal angeschaut. Auf Snapchat wurden Clips davon sogar fast 100 Millionen Mal geteilt. So können alle Parteien mit finanziellen Interessen an der Show realistisch darauf hoffen, dass am Sonntag ihre Kasse stimmt. Saftige 99 Dollar verlangt der Bezahlsender Showtime als Zuschaltgebühr und spekuliert damit auf eine ähnliche Zugkraft wie vor zwei Jahren der „Jahrhundertkampf“ zwischen Mayweather und Pacquiao. Laut Schätzungen des Fernsehsenders ESPN werden 4,75 Millionen Menschen einschalten. Damit würde Showtime den Umsatz von Mayweather und Pacquiao um 20 Millionen Dollar übertreffen und 475 Millionen einspielen.
Finanziell ist der Kampf Mayweather–Pacquiao die Marke, an der sich die Cross-over-Show nun misst. 623,5 Millionen Dollar hat seinerzeit der Kampf umgesetzt. Die Schätzungen für Sonntag schwanken laut New York Post zwischen 600 Millionen (ESPN) und einer Milliarde Dollar. Dabei glaubt man, dass der Kampf deutlich mehr an Sponsorengeldern einnimmt als Pacquiao–Mayweather und das Merchandising beinahe doppelt so viel Geld einspielt. Die Ticketeinnahmen, die sich bei Pacquiao–Mayweather auf 72,2 Millionen Dollar beliefen, so die Prognose, werden etwas niedriger liegen. Die Wetteinnahmen hingegen reichen mit ziemlicher Sicherheit nicht einmal annähernd an die 70 Millionen heran, die beim Pacquiao-Kampf umgesetzt wurden.
Marketingexperte Daniel Roberts
Kein Wunder, denn sportlich geht es ja um nichts. Wer sich wirklich für Profiboxen interessiert, wartet auf den Mittelgewichts-WM-Kampf zwischen Gennadi Golowkin und Saúl „Canelo“ Álvarez Mitte September. Da geht es in derselben Arena in Las Vegas um die WM-Titel von WBA, WBC, IBF und IBO, und auch das Fachblatt The Ring erkennt ihn als Titelkampf an. Da geht es also um Sport.
Sport aber ist bei Mayweather vs. McGregor völlig gleichgültig. McGregor hat noch nie geboxt, Mayweather seit zwei Jahren nicht mehr. Im Lager der richtigen Profiboxer – dem Floyd Mayweather schon längst entwachsen ist – versucht man das Beste aus der Konstellation herauszuholen. „Wir haben die Chance, ein neues Publikum anzulocken“, sagt etwa Exweltmeister und Promoter Óscar de la Hoya. „Vielleicht schauen sich ja ein paar Leute Mayweather–McGregor an und wollen dann auch den echten Kampf sehen.“ Golowkin vs. Álvarez hat nämlich große Vermarktungsprobleme – obwohl oder weil es ein Boxkampf ist, sei dahingestellt.
Bei Mayweather vs. McGregor hingegen ist es so, sagt Marketingexperte Daniel Roberts, „als würde Michael Phelps Usain Bolt zu einem 100-Meter-Lauf herausfordern“. Und ein amerikanischer Journalist hat den Kampf direkt mit dem Wahlkampf und den Geschäftspraktiken von Donald Trump verglichen: Da wird nicht einmal versucht, irgendetwas mit Substanz zu verkaufen, jeder gibt offen zu, dass es eine reine Geldmaschine ist, und die Leute wollen es trotzdem.
Als Mayweathers Manager Leonard Ellerbe auf einer Pressekonferenz auf den sportlichen Wert der Veranstaltung angesprochen wurde, sagte er: „Es ist mir völlg egal, wie man das Ganze nennt. Dieser Scheiß ist groß. Jeder will es sehen. Du kannst nicht auf etwas scheißen, das jeder sehen will. Die Leute wollen ja auch Kim Kardashian.“ Nicht mal Mayweather selbst will als Sportler ernst genommen werden. „Wir werden den Leuten bieten, was sie sich wünschen“, sagt er. Fake Sports könnte man auch sagen.
Mayweather-Manager Ellerbe
Mayweather vs. McGregor ist ein Kampf, der in die Trump-Ära passt. Protzen zum Fremdschämen, hantieren mit unglaublichen Summen, so etwas wie soziales Gewissen offen verhöhnen.
Muhammad Ali trat auch einmal gegen einen Vertreter asiatischer Kampfkunst an. Auch da wurde vorher unangenehm auf die Pauke gehauen, als könnte man so ermitteln, welches die definitive Sportart ist. „Isn’t there any Oriental fighter who will challenge me? I’ll give him one million dollars if he wins“ (Ali). Auch da ging es also um eine – für die damalige Zeit – sehr große Summe. Doch wer kennt eigentlich noch Alis Gegner bei der peinlichen Show? Antonio Inoki hieß er, sagen Google und Wikipedia. Den Namen muss man sich so wenig merken wie Floyd Mayweather oder Conor McGregor.
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