Meduza-Auswahl 19. – 25. Juni: Die lauernde Gefahr an der finnisch-russischen Grenze
Russland baut die Präsenz seines Militärs an der Grenze zu Finnland massiv aus. Schon jetzt sind dort in einer einzigen Anlage über 2.000 Militärangehörige stationiert.

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Zeit vom 19. – 25. Juni 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Die Wahl zwischen Ausreise, russischem Pass oder Knast
Unter Besatzung lebende Ukrainer stehen seit langem unter Druck, die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Im März verschärfte Moskau die Lage noch weiter: Eine Kampagne des Kremls soll die zwangsweise Vergabe russischer Pässe an Ukrainer in Russland und den besetzten Gebieten verstärken. In einem Dekret forderte Putin die Einwohner:innen auf, russische Pässe zu beantragen, bis zum 10. September „auszureisen“ – oder sich den Konsequenzen zu stellen. Sowohl ukrainische Regierungsvertreter als auch Menschenrechtsorganisationen verurteilten das Dekret als Verstoß gegen das Völkerrecht. Und warnen, dass es weiteren Kriegsverbrechen Tür und Tor öffne. Meduza erklärt das Dekret und seine Folgen auf Englisch.
So biete Putins Dekret lediglich eine „falsche Wahlmöglichkeit“ und schaffe neue Vorwände für Verhaftungen und Ausweisungen. Russlands Vergeltungsmaßnahmen gegen Ukrainer:innen, die sich weigern, ihre Staatsbürgerschaft zu wechseln, sind gut dokumentiert. Und diejenigen, die die besetzten Gebiete „verlassen“ wollen, können dies nicht unbedingt sicher tun. Darüber hinaus ist selbst eine „Deportation“ keine Garantie für eine Rückkehr in die Ukraine.
Wie queere Menschen in Russland verfolgt werden
Die Einstufung der nicht existierenden „internationalen LGBT-Bewegung“ als extremistische Organisation durch den obersten russischen Gerichtshof im Jahr 2023 markierte eine Eskalation in der zunehmend repressiven Kampagne des Kremls gegen LGBTQ+-Personen. Die Zahl der Fälle, die nach den berüchtigten russischen „LGBT-Propaganda“-Gesetzen eröffnet wurden, ist hoch: In den letzten zwei Jahren flossen allein durch Bußgelder nach diesen Gesetzen mehr als 60 Millionen Rubel (765.300 US-Dollar) in die Staatskasse. Meduza wirft einen genaueren Blick darauf, wie diese Gesetzgebung entstanden ist – und was sie für queere Menschen bedeutet (englischer Text).
Wie der russische Staat mit Rechtsextremen paktiert
Die rechtsextreme nationalistische Organisation „Russische Gemeinschaft“ entstand bereits Ende 2020, ab 2024 wurde sie jedoch stärker wahrgenommen. Im selben Jahr begannen Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger einen Anstieg der migrationsfeindlichen Stimmung in Russland zu dokumentieren. Teilweise stand dieser mit dem Terroranschlag auf die Moskauer Krokus City Hall in Verbindung. Im Mai 2025 gab es Berichte über eine offene Zusammenarbeit der „Gemeinschaftsmitglieder“ mit der Polizei. Bei einem ihrer Angriffe kam ein armenischer Staatsbürger ums Leben.
Die „Russische Gemeinschaft“ steht nicht nur mit dem Innenministerium in Verbindung: Bereits 2024 gestand eines der Mitglieder der Organisation gegenüber dem russischen Dienst der BBC, dass die „Gemeindemitglieder“ manchmal Aufträge des FSB ausführen. Meduza berichtet auf Russisch, wie die Sicherheitskräfte sowie föderale und regionale Behörden mit der „Russischen Gemeinde“ zusammenarbeiten. Eine Quelle Meduzas, die dem FSB nahesteht, sagt: Die Behörden erlaubten der „Russischen Gemeinschaft“, „Dampf abzulassen“, solange sie darin eine für sich vorteilhafte „kostenlose Volksmiliz“ sehen.
Russland baut seine Präsenz an der finnischen Grenze aus
Russland macht laut einem neuen Bericht des finnischen Mediums Yle Fortschritte beim Ausbau seiner militärischen Präsenz nahe der finnischen Grenze. Das Militär hat mit dem Bau einer neuen Artilleriebrigaden-Anlage in Kandalaksha in der Region Murmansk begonnen. Und gleichzeitig seine Ausrüstung auf der Karelischen Landenge erweitert. Das wurde durch neue Satellitenbilder aufgedeckt, die Journalisten analysierten. Die Bilder zeigen: Russland hatte im vergangenen Winter mit groß angelegten Bauarbeiten in der gesperrten Militäranlage Lupche-Savino-2 in Kandalaksha, etwa 110 Kilometer von Finnland entfernt, begonnen. Meduza fasst die Ergebnisse von Yle auf Englisch zusammen.
So soll die Anlage im Nordwesten von Kandalaksha mehr als 2.000 Militärangehörige beherbergen. Bis Anfang der 2000er Jahre waren dort Boden-Luft-Raketen-Einheiten stationiert. In jüngerer Zeit nutzte Russland die Anlage als Lager- und Logistikzentrum für militärische Ingenieurseinheiten.
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