Meduza-Auswahl 14. – 20. September: Wie krank ist Kadyrow?
Um den Zustand von Tschetscheniens Machthaber ranken sich Gerüchte. Und eine Kirgisin zog für ein Matronym vor Gericht. Texte aus dem Exilmedium.
Das russisch-und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduzaimmer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 14. bis 20. September 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Meduza-Gründerin Timtschenko mit Pegasus ausspioniert
Seit mindestens 2021 ist bekannt, dass Regierungen auf der ganzen Welt Software eines israelischen Cyber-Rüstungsunternehmens nutzen, um Journalisten, Oppositionspolitiker und Aktivisten auszuspionieren: die Spyware Pegasus. Anfang des Sommers erfuhr Meduza, dass das iPhone seiner Mitbegründerin und Verlegerin Galina Timtschenko mit Pegasus infiziert war, nur wenige Stunden bevor sie an einer privaten Konferenz in Berlin teilnahm, zu der auch Kollegen der im Exil lebenden russischen unabhängigen Medien kamen. Dies ist der erste bestätigte Fall eines Pegasus-Angriffs auf einen russischen Journalisten.
Mit Hilfe der Experten der gemeinnützigen Organisationen Access Now und Citizen Lab berichtet nun Meduza (englischer Text), was bis jetzt darüber bekannt wurde. Unter anderem: Dass europäische Staaten möglicherweise Millionen von Dollar ausgegeben haben, um Timtschenkos Telefon zu hacken. Der lettische Journalistenverband zum Beispiel fordert inzwischen von seiner Regierung Antworten auf Fragen zu diesem Hackerangriff. Darüber berichtet Meduza auch in einem weiteren Artikel (russischer Text).
Russland greift durch gegen Online-Marketing
Online-Werbung muss in Russland künftig als solche markiert werden. Seit dem 1. September gelten im Land Strafen für das Fehlen dieser Markierungen bei Anzeigen in Bannern, Werbevideos auf YouTube, Beiträge in sozialen Netzwerken und ähnlichen Inhalten. Darum kümmert sich der Föderale Dienst für die Aufsicht im Bereich der Kommunikation, Informationstechnologie und Massenkommunikation (Roskomnadzor, RCN).
Seit einem Jahr gilt das Gesetz, dass diese verpflichtende Markierung vorsieht, doch die Sanktionen wurden erst im September dieses Jahres eingeführt. Die neue Regel betrifft absolut alle Arten von Online-Werbung in Russland, mit Ausnahme von E-Mail-Newslettern und Push-Benachrichtigungen, sowie Werbung in InstantMessangern zum Austausch von Nachrichten zwischen bestimmten Benutzern. Meduza geht in diesem Bericht verschiedenen Aspekten dieses Gesetzes nach (russischer Text).
Wie geht es Tschetscheniens Diktator Ramsan Kadyrow?
Medien und soziale Netzwerke berichten regelmäßig über die Gesundheit von Ramsan Kadyrow, Tschetscheniens Machthaber. In den letzten Tagen häufen sich die Nachrichten, die über seine schlechte Gesundheit spekulieren: Er soll seit einigen Tagen im Koma liegen, berichtete der oppositionelle tschetschenische Telegrammkanal NIYSO. Ukrainische Medien beriefen sich auf eine Quelle der tschetschenischen Diaspora – Kadyrow hätte ein Krankenhaus in Russland verlassen, weil die Ärzte dort “nicht mehr helfen“ könnten, und wäre inzwischen zwecks Behandlung irgendwo im Ausland.
Meduza fasst die verfügbaren Informationen zusammen (russischer Text), die bis jetzt über den tschetschenischen Präsidenten bekannt wurden. Dazu zählt auch ein Video, das ihn beim Spazierengehen angeblich noch diese Woche im tschetschenischen Grosny zeigt. Seit Anfang September sei Kadyrows Geschäftsjet dreimal nach Moskau geflogen, am Abend des 17. September soll er in Grosny zum letzten Mal gelandet sein.
Der Kampf ums Matronym
In einer Reportage der Serie The Beet auf Meduza schreibt die Journalistin Katie Marie Davies (englischer Text) über den persönlichen Kampf der Kunstkuratorin und Aktivistin Altyn Kapalova in Kirgisistan. Sie wollte ihren Kindern ein Matronym geben: einen zweiten oder mittleren Namen, der von ihrem eigenen Vornamen abgeleitet wird. In Kirgisistan erhalten Kinder traditionell nur den Namen des Vaters als Patronym. Das war im Dezember 2020, damals löste ihr persönlicher Kreuzzug heftige gesellschaftliche Debatten aus.
Der Fall landete nach mehreren Etappen vor Gericht, bis Kapalova einen Teilsieg im Juni 2023 erzieltet: Bürgern in Kirgisistan wird es nun im Alter von 18 Jahren gestattet, auch ein Matronym anzunehmen. Die ausführliche Meduza-Reportage ist hier zu lesen (englischer Text).
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