Meduza-Auswahl 12.-18. Oktober: Putin reist entlang der Seidenstraße
Russlands Präsident besucht Kirgistan und China. Dass ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorliegt, stört dabei nicht. Texte aus dem Exil.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 12. bis zum 18. Oktober 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Obdachlos in Russland
Maria Nikolajewna, ungefähr 60 Jahre alt, verlor im Juli ihre Wohnung in Sankt Petersburg. Ein Jahr lang lebte sie dort, nachdem sie im April 2022 aus Charkiw wegen des russischen Angriffskriegs geflohen war. Zwei Wochen nach ihrer Flucht wurde das Mehrfamilienhaus, in dem sie in der ostukrainischen Stadt wohnte, komplett zerstört.
Meduza hat mit ihr gesprochen und ihre berührende Biografie aufgeschrieben (russischer Text). Maria erzählt, wie es ist, eine Geflüchtete in Russland zu sein: „Erst jetzt habe ich verstanden, wie Russland die Bürger behandelt“, sagt sie. Zahlreiche Besuche im Sozialamt und im Migrationszentrum konnten ihre Situation bisher nicht ändern, auch die Unhöflichkeit der Mitarbeitenden prangert Maria an.
Verteidigung bedeutet keine Komplizenschaft
Am 13. Oktober wurden mehrere Anwälte des Oppositionellen Alexei Nawalny festgenommen. Nach der Verhaftung veröffentlichte die russische Menschenrechtsgruppe Pervy Otdel einen offenen Brief. Unter anderem schreiben sie: „Die nationalen und internationalen Rechte der Anwälte in Russland werden systematisch verletzt. Die Regierung hindert Verteidiger an der Arbeit, schüchtert sie ein und leitet Strafverfahren gegen sie ein.“
Die Betroffenen wurden wegen Beteiligung an einer „extremistischen Gemeinschaft“ angeklagt (Teil 2 von Artikel 282 Absatz 1 des russischen Strafgesetzbuchs). Ihnen wird vorgeworfen, Informationen zwischen Nawalny und seinen Anhängern weitergegeben zu haben.
Meduza veröffentlicht den Brief der Menschenrechtsgruppe in voller Länge und ins Englische übersetzt. Das Dokument kann online unterschrieben werden, als Zeichen der Solidarität.
Putin reist zu Gipfeln im Ausland – trotz Haftbefehl
Russlands Präsident Wladimir Putin ist am Dienstag und Mittwoch nach Peking zum Seitenstraßen-Gipfel gereist. Davor war er in Kirgistan, um in Bischkek beim Gipfel der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) teilzunehmen.
Vertreter Armeniens waren bei dem Treffen nicht anwesend. Das kommentierte Putin so: „Es ist offensichtlich, welche Umstände Nikol Paschinjan davon abgehalten haben, zum Gipfel zu kommen, aber Armenien verlässt die GUS nicht. Wir stehen in Kontakt mit Paschinjan. Ich werde zu ihm kommen und er wird zu mir kommen.“
Auch andere Fragen beantwortet Putin: Bezüglich Spekulationen über eine mögliche russische Beteiligung bei der Störung der estnisch-finnischen Pipeline ging der russische Präsident in die Verteidigung: Es gehe nur darum, „den Terroranschlag des Westens auf Nord Stream zu vertuschen.“ Weitere Stellungnahmen Putins während seines Besuchs in Kirgistan fasst Meduza in diesem Beitrag zusammen (englischer Text).
Leben im russischen „Pentagon“
Am 14. Oktober wurde der erste Teil einer Dokumentarfilm-Serie veröffentlicht, die sich mit dem Leben in einem Gebäude außerhalb der zentralrussischen Stadt Saratow beschäftigt, das von den Bewohner “Pentagon“ genannt wird: Sozialwohnungen ohne Heizung und Sanitäranlagen, in denen das Abwasser direkt in den Keller mündet.
Meduza fasst die Serie zusammen (englischer Text). Etwa jeder zehnte Russe – mehr als 15 Millionen Menschen – lebt unterhalb der Armutsgrenze und mit einem monatlichen Einkommen von weniger als 14.200 Rubel (umgerechnet 146 US-Dollar). Viele von ihnen erdulden die abscheulichen Bedingungen in den zerfallenden Häusern ohne Heizung, funktionierende Abwasseranlagen oder fließendes Wasser im „Pentagon“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!