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Medizin-Nobelpreis für Svante PääboEvolutionsforscher ausgezeichnet

Der Schwede Svante Pääbo erhält für seine Erkenntnisse zu Neandertalern den Nobelpreis für Medizin. Corona-Forscher:innen gehen erneut leer aus.

Erhält den Medizin-Nobelpreis 2022: Neandertaler-Forscher Svante Pääbo Foto: Christian Charisius/dpa

Stockholm dpa/ap/afp/taz | Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an den in Leipzig forschenden Schweden Svante Pääbo für seine Erkenntnisse zur menschlichen Evolution. Das teilte das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm mit. Er werde ausgezeichnet „für seine Entdeckungen über die Genome ausgestorbener Homininen und die menschliche Evolution“.

Durch die Enthüllung „der genetischen Unterschiede“ zwischen heute lebenden Menschen und ausgestorbenen Vorfahren, „haben seine Entdeckungen die Grundlage für die Erforschung dessen geschaffen, was uns Menschen so einzigartig macht“, erklärte die Jury.

Pääbo stellte fest, dass ein Gentransfer von inzwischen ausgestorbenen Homininen auf den Homo sapiens stattgefunden hat. Dieser habe „heute physiologische Bedeutung, zum Beispiel für die Art und Weise, wie unser Immunsystem auf Infektionen reagiert“, erklärte die Jury.

Pääbo ist seit 1997 Wissenschaftler am und heute Direktor des Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Pääbo und sein Team squenzierten als erste das Genom des Neandertalers. Bei Vergleichen des Genoms moderner Menschen, von Neandertalern und den sogenannten Denisova-Menschen wies er etwa nach, dass es zu Vermischungen unter den Menschenarten kam. Unter anderem konnten Pääbo und sein Team nachweisen, dass Reste der DNA des Neandertalers noch im modernen Menschen zu finden sind.

Zudem widerlegten die Forscher die These, dass der Neandertaler vom Homo Sapiens verdrängt worden sei. Vielmehr sei der damalige Klimawandel Schuld an seinem Verschwinden.

Im Jahr 2021 hatte Pääbo eine Studie veröffentlicht, laut der ein bestimmtes Gen der Neandertaler, heutige Menschen vor einer Infektion mit Corona schütze. Das Gen, das etwa die Hälfte der Menschen in Europa in sich trage, reduziere das Infektionsrisiko um 20 Prozent, schätzte Pääbo.

Corona-Forscher:innen müssen warten

Die klassische Corona-Forschung ging bei der Nobelpreisvergabe aber auch in diesem Jahr leer aus. Bereits im Vorjahr war mit Blick auf den Kampf gegen die Corona-Pandemie spekuliert worden, dass der Medizin-Nobelpreis an die Entwickler der mRNA-Impfstoffe gehen könnte.

Am Ende erhielten ihn David Julius aus den USA und der im Libanon geborene Ardem Patapoutian. Sie hatten Zellrezeptoren entdeckt, über die Menschen die Temperatur und Berührungen wahrnehmen. Häufig wird die medizinische Auszeichnung – wie auch die weiteren wissenschaftlichen Preise – zwei oder drei Wissenschaftlern zusammen zugesprochen, die zum Beispiel gemeinsam zu einem Themenfeld geforscht haben. Sie teilen sich das Preisgeld dann.

Bis auf den Wirtschaftsnobelpreis gehen alle Auszeichnungen auf das Testament von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896) zurück. Darin hatte Nobel bestimmt, dass der Großteil seines verbliebenen Kapitals angelegt werden solle und die Zinsen daraus als Preise an diejenigen gehen sollen, die „im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erwiesen haben“.

Überreicht werden die Nobelpreise traditionell an Nobels Todestag am 10. Dezember – der Friedensnobelpreis in Oslo, alle weiteren Auszeichnungen in Stockholm. Dabei erhalten die Ausgewählten auch ihre prestigeträchtigen Nobelmedaillen und Diplome.

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7 Kommentare

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  • "Vermischungen unter Arten" - kann es per Definition nicht geben. Wenn fortpflanzungsfähige Nachkommen geboren werden, dann waren die Eltern beide von der selben Art. Die Neandertaler waren somit keine eigene Art, sondern Menschen wie ich du und ich.

  • Der Preis ist gedacht und wird auch vergeben für Medizin oder Physiologie. Die Bandbreite der Themen und die Zahl der Kandidat:innen sind außerordentlich gewachsen. Die "Infektiologie" war früher dominanter, die Molekulargenetik ist zunehmend präsenter. Manches läßt sich verbinden, wie bei der Suszeptibilität für eine Covid-Infektion durch einen Gen-Pool mit unterschiedlichen Relikten der Neandertaler-Genvarianten. Die genialen Impfstoff-Pionier:innen werden sicher bald berücksichtigt, das ist unausweichlich.

    • @Martin Rees:

      Was genau soll jetzt so überaus genial sein an der Entwicklung der Covid-Impfstoffe?

      Natürlich war das überaus wichtig zum gegebenen Zeitpunkt und würde sicher unter Alfred Nobels im Artikel wiedergegeben "Mission Statement" fallen.

      Aber trotzdem sollte man auf dem Teppich bleiben. Das Genom von Covid-19 ist nicht sonderlich komplex, anwendbare Forschung gab es schon lange, der Durchbruch wurde durch viel viel öffentliches Geld und (in der Situation absolut sinnvoll) angepasste Zulassungsverfahren erzielt.

    • @Martin Rees:

      Scheint mir ne etwas verengte Sicht, ehrlich gesagt. Gerade gibt es einen sensationellen Durchbruch bei der Malaria, der baut auf Forschung über Jahrzehnte. Das Virus ist erheblich komplexer und schwerer zu fassen und diese Krankheit verfolgt uns auch soviel länger als Covid. Nichts gegen diese Leistung, aber dann müsste es viele Nobelpreise geben, wenn's nach mir geht. Und dann wär Genialität auch eher'n Ding der Kunst, vielleicht noch Mathematik. Experimente können genial sein, wie man gerade bei den ausgezeichneten Physikern sieht. Für Svante Pääbo freut es mich besonders, der's mir sogar schon bisschen länger bekannt, das kann ich nicht immer behaupten, auch als Gesicht. Aus dem Kontext des MPI, der war auch schon mal kurz im Fernsehen.

      • @Tanz in den Mai:

        Kleine Korrektur zur Taxonomie:



        /



        www.dzif.de/de/mal...ern-entschluesselt



        /



        Warten wir doch mal die Laudatio ab. Für am Thema Paläogenetik Interessierte als Hinweis: Johannes Krause (deutscher Biochemiker, Leipzig) hat darüber mit Thomas Trappe ( Tagesspiegel) eindrucksvoll verständlich geschrieben in seinem Buch "Hybris: Die Reise der Menschheit zwischen Aufbruch und Scheitern" - da kann sich der Horizont weiten.