Medienkompetenz beim Frauenfußball: Wir tun nur so
Eine Verkehrsdurchsage: In Deutschland sind gerade 2.000 Journalisten im Blindflug unterwegs. Eigentlich haben wir nämlich alle keine Ahnung.
Wir dachten, wir wüssten was. Kleine, aber feine Information. Stand in einem Fachblatt, das seinen Fußball sehr ernst zu nehmen pflegt. Und Informationen, interessante zumal, sind rar gesät dieser Tage, da die Fußballfrauen die große Bühne eingenommen haben.
Wir wussten also was, dachten wir. Doch als die deutsche Nationalspielerin mit der wertvollen Information konfrontiert wurde, lehnte sie sich ganz entspannt zurück und ein ziemlich hämisches Grinsen erschien auf ihrem bis dahin eher angespannten Gesicht. Dazu setzte sie diesen Blick auf, der sagte: Ihr habt doch bis vor einer Woche noch nicht mal gewusst, wie man Frauenfußball schreibt, oder? Und dann sagte sie: Die Information, die war einmal wahr. Ist es aber nicht mehr. Schon seit einem Jahr nicht mehr. Anschließend wurde das Grinsen noch breiter.
Peinlicher Augenblick, betretenes Schweigen. Was ich damit sagen will: Wir haben alle keine Ahnung. Glauben Sie uns kein Wort! Wir tun nur so. Seit die Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland läuft, versuchen rund 2.000 Journalisten verzweifelt den Eindruck zu erwecken, sie hätten Ahnung von Frauenfußball. Und vor allem: schon immer gehabt. Wer aber genau hinhört, wer genau liest, der merkt schnell: Da ist ein Berufsstand mehr oder weniger im Blindflug unterwegs, und der Verfasser dieser Zeilen nimmt sich da ausdrücklich nicht aus.
Wer war das jetzt?
Da steht in einer Zeitung, Äquatorialguinea spielt mit antiquiertem Libero. In der anderen steht, Äquatorialguinea spielt mit moderner Viererkette. Und in der Mixed-Zone nach dem Spiel, wenn die Spielerin die schlauen Fragen beantwortet hat und sie sich aufmacht zum Mannschaftsbus, während sich die Journalistentraube um sie herum langsam auflöst, geht ein typischer Dialog zwischen Kollegen so: Wer war das jetzt? – Ich dachte, du wüsstest das. – Wenn die frisch geduscht sind, sehen die so anders aus.
Man kann wohl behaupten: Nie gab es ein Sportereignis mit solch breiter Öffentlichkeitswirkung hierzulande, dessen mediale Aufbereitung von solch weitgehender Unwissenheit geprägt ist. Nicht nur der Frauenfußball, der wächst und sich professionalisiert, betritt Neuland mit dieser WM. Im Gegenzug betritt der Journalismus das Neuland Frauenfußball.
Die meisten der meist männlichen Berichterstatter hatten, das darf man ruhig annehmen, vor der WM niemals ein Frauenfußballländerspiel leibhaftig im Stadion gesehen, geschweige denn Herforder SV gegen SG Essen-Schönebeck an einem Sonntag um 14 Uhr vor 773 Zuschauern im Stadion „Am Hallo“. Ein nicht unerheblicher Anteil der Akkreditierten hat sich bis zu dieser WM vermutlich sogar den im Fernsehen übertragenen Frauenfußball erspart. Und wenn sie zugeguckt haben, dann nur, um sich ihre Vorurteile bestätigen zu lassen: keine Technik, kein Tempo, kein Fußball.
Sicher, alle geben sich Mühe
Das sind dann dieselben Kollegen, die am Wochenende zum Volleyball gehen, weil die Sportredaktion sie da hingeschickt hat, die aber niemals auf die Idee kämen, sich zu beschweren, dass Frauen einen halben Meter weniger hoch als Männer springen. Dass sie beim Leichtathletik-Sportfest über 100 Meter eine Sekunde später ins Ziel kommen. Oder dass ihr Aufschlag beim Tennis 40 Stundenkilometer langsamer ist.
Sicher, alle geben sich jetzt die größte Mühe, die Wissenslücken zu füllen. Und zugegeben, es gibt Ausnahmen. Fachleute, die schon vorher wussten, dass Linda Bresonik links wie rechts verteidigen kann, Nadine Angerer ein Abschlagproblem hat und Alexandra Popp beim FCR Duisburg schon seit einem Jahr nicht mehr Abwehr spielen muss, sondern neben Inka Grings stürmen darf. Was wurden wir ausgelacht.
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