Medienjournalist Rainer Braun gestorben: Hartnäckig bis zum Schluss
Der Medienjournalist hatte ein enzyklopädisches Gedächtnis. Vergangene Woche ist er nach langer Krankheit gestorben.
„Der Befund als solcher ist also nicht neu: Hier sitzt einer im Glashaus, der mit Steinen wirft“ – das schrieb Rainer Braun in der taz vom 1. März 2006 über den damaligen ARD-Hierarchen Hartmann von der Tann. Denn der alte Herrenreiter hatte gerade mal wieder an den Dokus im Ersten kein gutes Haar gelassen. Dass er als ARD-Chefredakteur höchstpersönlich für den dann von ihm mit gebührendem Tremolo beklagten Zustand verantwortlich war, ließ von der Tann natürlich komplett unter den Tisch fallen. Mit solchen anstaltstypischen Verlogenheiten konnte Rainer so gar nicht umgehen.
Für die taz spießte er sie lange Jahre genüsslich auf. Schlimmer als das sich selbst im Weg stehende öffentlich-rechtliche Spitzenpersonal fand Rainer nur noch die intriganten Einmischungen der medienpolitischen Grobmotoriker aller Couleur. Allen voran 2009 das Bauerntheater beim ZDF, als ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender abgesägt wurde. Hier wurde beim sonst unbarmherzig kritischen Schreiber plötzlich zartes Mitleid mit dem damaligen ZDF-Intendanten Markus Schächter sichtbar, der ins Friendly Fire seiner eigenen Unionskamarilla geraten war.
Rainer war immer dabei, bestens unterrichtet, und hatte alles schon längst gehört oder gelesen. Bei den Anstaltsgewaltigen hatte er den besten Ruf, den Medienjournalist*innen haben können: Hartnäckig, lästig und – leider – furchtbar kompetent. Beim seinerzeitigen ARD-Vorsitz des Saarländischen Rundfunk wurde bei einschlägigen Veranstaltungen auch schon mal ein Mitarbeiter des ARD-Teams zur „Manndeckung“ nur für Rainer abgestellt.
Der „Medien-Yeti“
In Berlin endete das dann mit schöner Regelmäßigkeit in einer nur Rainer bekannten gastronomischen Einrichtung irgendwo auf halbem Weg nach Spandau, bei der oft genug auch gleich der ARD-Vorsitzende Fritz Raff mit dabei war.
Dass sich Rainer manchmal auch einen eher kruden Reim auf die ein oder andere Sache machte, tat seinem Ruf keinen Abbruch, sondern machte verdammt viel Spaß. Denn er ließ immer mit sich diskutieren, den Dogmatiker spielte er nur. In der taz war er gefürchtet. Telefonate mit dem ob seiner Bart- und Haartracht von manchen liebevoll „Medien-Yeti“ genannten Mitarbeiter dauerten nie unter 30 Minuten – und oft deutlich länger. Und wehe, er schlappte auch noch persönlich in der Redaktion vorbei.
Ganz eigentlich war Rainer aber TV-Kritiker. Mit akribischer Genauigkeit und enzyklopädischem Gedächtnis hielt er dem deutschen Fernsehen den Spiegel vor die Nase. Nie aus Prinzip mäkelig, denn Rainer konnte auch loben. Und hatte immer alles gesehen. Das Arbeitspensum des notorischen Nachtarbeiters, der auch am Tag eigentlich nie ruhte, war enorm. Ganz nebenbei saß Rainer noch in der Grimme-Jury, sorgte für den ersten Grimme-Preis für Kurt Krömer und schrieb für diverse Fachdienste wie die leider Ende 2020 eingestellte Medienkorrespondenz.
Beim Grimme-Preis 2009 klagte er dann am Abend über heftige Kopfschmerzen. Ein Hirninfarkt riss ihn plötzlich mitten aus der Arbeit und seinem bisherigen Leben. Rainer kämpfte mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit, doch die Sprache kam leider nur sehr eingeschränkt zurück. Aber Rainer blieb weiter am Ball, versuchte alles mitzubekommen und brachte die Sache trotz der wenigen Worte, die ihm nur noch blieben, weiter perfekt auf den Punkt: Was da im öffentlich-rechtlichen Rundfunk laufe, sei „schlimm“ und viele seiner Protagonist*innen seien eine „Katastrophe“. Vergangene Woche ist Rainer Braun nach langer Krankheit im Alter von 67 Jahren in Berlin gestorben.
In einer früheren Version haben wir an dieser Stelle leider ein falsches Foto veröffentlicht. Das Bild zeigte nicht den Medienjournalisten Rainer Braun, sondern den Motorsport-Journalist Rainer Braun. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.
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