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Medienbericht zum NSUBeim V-Mann angestellt

Laut dpa und „Welt“ waren Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bei einem Informanten des Verfassungsschutzes beschäftigt. Wieviel wusste der Geheimdienst?

Und sie? Weiß von nix Foto: dpa

Berlin dpa | Der NSU-Terrorist Uwe Mundlos soll nach einem Medienbericht zeitgleich zum Beginn der Neonazi-Mordserie für die Firma eines Informanten des Verfassungsschutzes gearbeitet haben. Mundlos sei unter einer Tarnidentität in den Jahren 2000 bis 2002 als Vorarbeiter eines Bauunternehmens im sächsischen Zwickau eingesetzt gewesen, berichtet ein Welt-Autorenteam um Stefan Aust in der am Mittwochabend ausgestrahlten ARD-Dokumentation „Der NSU-Komplex“. Der Inhaber der Firma, der Neonazi Ralf Marschner, habe damals als Spitzel mit dem Tarnnamen „Primus“ an den Verfassungsschutz in Köln berichtet. Nach Informationen der dpa soll Beate Zschäpe ebenfalls für den V-Man tätig gewesen sein.

Damit stellt sich aus Sicht der Autoren einmal mehr die Frage nach NSU-Mitwissern im Umfeld der Nachrichtendienste oder beim Verfassungsschutz selbst. Dessen Präsident Hans-Georg Maaßen sagte dazu der Welt: „Nach unserer Erkenntnislage und nach den Auskünften der damals dafür zuständigen Mitarbeiter haben wir keine Anhaltspunkte dafür, dass es so war.“ Die Journalisten berufen sich auf Dokumente und Zeugenaussagen.

Das Welt-Autorenteam berichtet, Marschners Firma und damit auch Mundlos seien zu einer Zeit auf Baustellen im Raum Nürnberg und München aktiv gewesen, als dort die ersten von insgesamt zehn Morden des NSU verübt wurden. Durch die Firma des Spitzels waren nach den Angaben mehrere Mietfahrzeuge über längere Zeiträume gebucht worden. Einige davon an den Tagen, an denen die NSU-Mörder in Nürnberg einen türkischen Änderungsschneider und in München den türkischen Inhaber eines Obst- und Gemüsehandels erschossen.

Ob die Fahrzeuge von Mundlos oder Böhnhardt tatsächlich für die Begehung der Morde genutzt wurden, sei bislang ungeklärt. Unklar ist demnach auch, ob Marschner seinen V-Mann-Führer beim Verfassungsschutz über die Beschäftigung von Mundlos informiert hatte. Der Spitzel sei offiziell 2002 vom Verfassungsschutz abgeschaltet worden und war seit 2007 im Ausland untergetaucht, bis ihn das Autorenteam jetzt in Liechtenstein aufspürte.

Die Rechtsextremisten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe sollen laut Bundesanwaltschaft jahrelang unerkannt gemordet haben. Zwischen 2000 und 2007 erschoss die Gruppe nach Erkenntnissen der Ermittler zehn Menschen, neun davon ausländischer Herkunft. Mit Sprengstoffanschlägen sollen sie zudem Dutzende Menschen verletzt haben.

Spätestens von 2001 an nannten sie sich „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Nach dem Tod ihrer Kumpane im November 2011 stellte sich Zschäpe der Polizei. Seit Mai 2013 wird in München gegen sie und mutmaßliche Unterstützer verhandelt.

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7 Kommentare

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  • Was wußte der Geheimdienst?

    Leute, das hält der Geheimdienst geheim.

     

    Er stellt sich über das Gesetz, über die Aufklärung von Morden, seine Quellen sind wichtiger;

    arbeitet manipulativ instrumentalisierend mit seinen nicht kontrollierten Spielfiguren und macht was er will.

    Der Geheimdienst ist das verfassungsfeindlichste was es gibt.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Die Parallelgesellschaft.

    Wenn es nicht um traurige Vorgänge und schwere Verbrechen ginge, es könnte ein Stück von Kafka sein. Es ist unfassbar, daß in einem Staat mit Grundgesetz, Justiz und Parlament einfach eine offenbar von niemandem zu kontrollierende Parallelgesellschaft bestehen kann. Da mühen sich NSU-Ausschüsse und ein großer NSU-Prozess seit Jahren um Aufklärung, aber die Parallelgesellschaft will nichts sagen. Zitat von dpa zu Marschner/Primus: 'Eine Sprecherin des BfV wollte den Vorgang zunächst nicht kommentieren'.

    Da könnte der Bundespräsident auf Knieen im Hungerstreik wochenlang vor einem Verfassungsschutzamt übernachten. Wenn dieses Amt nichts sagen will, dann sagt es nichts.

  • Es sollte wenigstens die Option in Betracht gezogen werden, dass die NSU ein Konstrukt des VS war (VS Mitarbeiter ind er Nähe der Tatorte, VS Mitarbeiter im direktem Umfeld und Arbeitgeber der Täter, Unterlagenvernichtung beim VS, merkwürdiges Zeugensterben im Prozess, ect etc etc). Dann stellt sich jedoch die Frage des WARUM?

    • @Jan Emissio:

      Das WARUM ist die Frage dabei,

       

      Entweder sind Mitarbeiter des VS einfach selbst gerne rechts und würden in ihrer politischen Sache gern mehr "sehen", sind aber in der Position das anderen anhängen zu können. Oder aber sie wollen nur Arbeit und Spaß bei der Arbeit haben, dann würden sie das aber alles eher im linken Milieu inszenieren.

       

      Ich selbst vermute auch, dass der VS tief mit drin steckt, alleine schon, weil ich es von Anfang an seltsam fand, dass die beiden Uwes sich selbst erschossen haben sollen. Why? Und dann noch die ganzen kurzfristigen toten Zeugen.

       

      Da stimmt auf alle Fälle was nicht. Fragt sich nur, wer das Interesse und die Macht dazu hat, dass aufzuklären und dabei am Leben zu bleiben.

      • @Hanne:

        Man wird ja nicht ERST (aus Liebe zu Verfassung und Rechtsstaatlichkeit?) Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und DANN in die rechte Szene als Informant eingeschleust, sondern der Verfassungsschutz SUCHT sich "Aktivisten" der rechten Szene, die dann als Informanten "angeworben" werden (z.B. mit Versprechen auf mildere Strafen oder sogar Straffreiheit für bereits begangene Delikte im kleinkriminellen Milieu).

         

        Inwieweit dieses Konzept aber überhaupt jemals funktioniert hat, inwieweit die leitenden Stellen beim VS einfach nur die Realität negiert und ausgeblendet haben, oder inwieweit sie in dunkler Ahnung fahrlässig oder in böser Absicht vorsätzlich gehandelt haben, ist da nur ein Aspekt.

         

        Aber auch der kann und darf nicht darüber hinwegtäuschen, welches erschreckende Ausmaß die schwerkriminelle, staatsfeindliche Energie angenommen hat, welche die rechtsextreme Szene einschliesslich der angeblich vom VS "geführten" Spitzel tatsächlich zu entwickeln im Stande war. Rechte reden nicht nur auf ihren Kameradschaftstreffen und Parteitagen, Rechte veranstalten nicht nur ein paar putzige Fackelmärsche, um irgendwelcher verblichenen Dummköpfe ihres Schlages zu gedenken. Rechte bilden kriminelle Banden, greifen Mitbürger dieses Landes an, sie rauben, brennen Heime nieder und Rechte morden.

         

        Und angesichts dieser Tatsache sollten die Zeiten des rechtsstaatlichen "Schmusekurses" der Behörden mit dem rechten Lager und die in epischer Weise fehlgeschlagene "Überwachung" der Rechtsextremisten durch sich selbst ein für allemal vorbei sein und endlich hart und konsequent gegen diese Banden durchgegriffen werden.

        • @cursed with a brain:

          Ich meinte schon die Mitarbeiter selbst und nicht die Spitzel, die sie anwerben.

  • Das ist Deutschland.