Medien in Ägypten: Propaganda und Gegenpropaganda
„Al-Dschasira“ wehrt sich gegen den Vorwurf, Sprachrohr der Muslimbrüder zu sein. Tendenziös berichten auch andere – zugunsten des Militärs.
KAIRO taz | Es sind klare Worte, mit denen sich Al-Dschasira verteidigt: Ägyptische Medien und Behörden führten eine strategische Hetzkampagne, um „Hass gegenüber Al-Dschasira und seinen Mitarbeitern“ zu säen. So heißt es in einer Mitteilung, die der Sender vergangene Woche auf seiner arabischsprachigen Website veröffentlichte.
Damit geht Al-Dschasira deutlich in die Offensive. Das Statement ist die jüngste Reaktion auf schwere Vorwürfe, Al-Dschasira berichte einseitig zugunsten Mohammed Mursis und seiner Muslimbruderschaft. Am 3. Juli hatte das Militär gegen den ägyptischen Präsidenten geputscht, nachdem Millionen von Menschen gegen ihn auf die Straße gegangen waren.
Ein „Propaganda-Kanal“ für die Muslimbruderschaft sei Al-Dschasira, kritisierte der bekannte ägyptische Autor und Journalist Abdel Latif el-Menawi. Dem konkurrierenden Nachrichtensender Al-Arabija sagte er, Al-Dschasira räume Vertretern der Muslimbruderschaft unverhältnismäßig viel Sendezeit ein, um die Ereignisse aus ihrer Sicht zu kommentieren.
Selbst in den eigenen Reihen regt sich Widerstand. Wie die emiratische Tageszeitung Gulf News online berichtete, sollen bereits in den ersten Tagen nach der Entmachtung Mursis 27 Mitarbeiter aus Protest gekündigt haben, der Großteil von ihnen Mitarbeiter des ägyptischen Ablegers „Al-Dschasira Live Ägypten“. Auch am Hauptsitz des Senders im katarischen Doha sollen Ägypter ihre Kündigung eingereicht haben. Al-Dschasira bestätigte, es habe Kündigungen gegeben, äußerte sich jedoch nicht zu deren Anzahl.
Wer ist das Volk?
Allerdings ist Al-Dschasira bei Weitem nicht das einzige Medium, das sich den Vorwurf der tendenziösen Berichterstattung gefallen lassen muss. Populäre TV-Sender und Zeitungen fahren eine entgegengesetzte Kampagne, um Mursi und die Muslimbruderschaft als terroristische Vereinigung darzustellen und das Militär zu feiern.
Etwa die Tageszeitung Al-Masri al-Yaum: Den Armeechef und Verteidigungsminister Abdel Fatah al-Sisi bezeichnet sie als „Volkspräsidenten für die Verteidigung“. Ohnehin trägt die Zeitung die Schlacht um die Frage, wer das Volk sei, mit vollem Elan aus. Auf der Titelseite ihrer Samstagsausgabe war der mit Sisi-Anhängern gefüllte Tahrirplatz zu sehen. Darüber, noch über dem Zeitungsnamen, prangte ein roter Banner mit der Aufschrift „Wir sind das Volk“.
Ahmed Soudan, Sprecher der Muslimbruderschaft, sagte der taz: „Sowohl die privaten als auch die staatlichen Medien in Ägypten fokussieren auf die Protestierenden auf dem Tahrirplatz, die den Militärputsch unterstützen. Die Millionen Mursi-Unterstützer blenden sie aus und verbreiten gefälschte Nachrichten.“
Tatsächlich ist Al-Dschasira mit seiner tendenziösen Berichterstattung zugunsten der Muslimbrüder eher die Ausnahme. Der Sender ist ein Kind Katars, der einzigen Golfmonarchie, die der Muslimbruderschaft wohlwollend gegenübersteht und den Putsch des ägyptischen Militärs nicht begrüßt hat.
Reporter geben sich nicht mehr zu erkennen
Trotz seiner Nähe zur katarischen Regierung war es dem Sender gelungen, sich international als seriöses Medienunternehmen zu etablieren. Besonders die Berichterstattung zum Arabischen Frühling 2011 brachte dem Sender Sympathien ein.
Doch seit die Ägypter in ein Pro- und Anti-Mursi-Lager gespalten sind, gerät Al-Dschasira zwischen die Fronten. Ein Mitarbeiter des Senders sagte der taz, er und seine Kollegen könnten nicht mehr frei von den Kundgebungen der Mursi-Gegner berichten. Auf dem Tahrirplatz etwa würde er nicht mehr offen als Al-Dschasira-Mann auftreten.
Auch von offizieller Seite werden dem Sender Hürden in den Weg gelegt. Die Armeeführung hatte im Zuge der Entmachtung Mursis nicht nur verschiedene islamische TV-Kanäle schließen lassen, sondern auch die Al-Dschasira-Büros in Kairo durchsucht und Mitarbeiter verhaftet.
In seiner Mitteilung beschwert sich der Sender zudem, er sei von verschiedenen staatlichen Pressekonferenzen ausgeschlossen worden. Bereits wenige Tage nach Mursis Sturz hatten aufgebrachte Kollegen Al-Dschasira-Mitarbeiter aus einer Pressekonferenz des Militärs geschmissen.
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