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Medfluencer auf InstagramVerbotene Gesundheitsmärchen

Auf Instagram informieren einige Influencer_innen über medizinische Inhalte. Doch nicht nur die Infos sind teilweise falsch.

Ein Stethoskop macht keine Ärztin: Vorsicht mit Doktorspielchen auf Instagram Foto: imago

Berlin taz | Die Arztpraxen sind voll. Für einen Termin bei der Spezialistin muss man oft monatelang warten. Und wenn man seine Symptome googelt, formen die Pixel auf dem Bildschirm eine Krebsdiagnose. Sich mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen, ist in der Regel ziemlich lästig. Dem wollen Medfluencer entgegenwirken.

Medfluencer, also „medical influencer“, sind Internetpersönlichkeiten, die auf ihren Kanälen ärztliche Tipps geben, über Gesundheitsmythen aufklären und aus dem Praxis­alltag erzählen. Eigentlich kein schlechtes Vorhaben, leicht zugänglich über medizinische Inhalte zu informieren. Schließlich haben etwa Fachbücher eine viel höhere Zugangsschwelle als ein nett verpacktes Kurzvideo.

Bloß sind die Inhalte vollkommen unkontrolliert, und oft liegen – offen oder verdeckt – Interessenkonflikte vor. Wer seriös ist und wer nicht, ist für Laien kaum zu unterscheiden. Das ist schon allein deswegen der Fall, weil sich viele „Doc“ nennen, obwohl ein Doktortitel nicht vorliegt.

Eine dieser Medfluencer_innen ist die 25-jährige Alina Walbrun (@docalina), mit mittlerweile 253.000 Follower_innen auf Instagram. Eigentlich studiert sie noch Medizin. Aber den Titel „Doc“ hat sie sich im Benutzernamen vorsorglich schon mal verliehen. Er ist nicht geschützt. Auf dem Profilfoto posiert sie mit Stethoskop. Ihre Intention sei es, mit ihren Inhalten Aufklärung zu betreiben, wie sie selbst in einem Interview sagt.

Selbst für Kranke die falsche Medizin

Ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt, ist Cortisol. Sie listet in Videos auf Instagram Symptome für einen erhöhten Cortisolspiegel auf: Schlaflosigkeit, Ruhestörung oder Haarausfall. Ihre Follower_innen diagnostizieren sich selbst und folgen ihren Ernährungstipps. Morgens Kaffee zu trinken, erhöhe den Cortisolspiegel und bestimmte Lebensmittel, das behauptet Walbrun, senkten ihn. Zum Beispiel das Matchapulver, das sie im Onlineshop für 49 Euro anbietet.

„Das ist etwas, was einen fachlich echt ärgert. Für die allermeisten der hier genannten Lebensmittel gibt es nicht den Hauch einer Evidenz aus Humanstudien“, sagt Martin Smollich. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und hat bereits einige von Alina Walbruns Gesundheitsmythen auf Instagram entkräftet.

Selbst Menschen, die tatsächlich einen erhöhten Cortisolspiegel haben, helfe das nicht. „Dann ist es noch gefährlicher, auf Doc Alinas Empfehlungen zurückzugreifen und willkürlich Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen“, sagt Smollich. Ein erhöhter Cortisolspiegel könne ernstzunehmende Ursachen haben, etwa einen Nebennierentumor. „Ihre Inhalte sind medizinisch und wissenschaftlich absolut irreführend.“

Aber nicht nur deshalb ist Doc Alina umstritten. Als sie im Juni in einem Podcast ihrer Gesprächspartnerin zustimmt, es liege im Interesse der Schulmedizin, Patient_innen krank zu halten, um an ihnen profitieren zu können, folgte ein Shitstorm. Eine Petition fordert, die Ethikkommission solle prüfen, ob sie überhaupt für eine Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität in München geeignet sei.

Kritische Kommentare lösche Alina Walbrun unter ihren Videos und blocke die User_innen, bemängeln Unterzeichner_innen der Petition. „Ihr Verhalten soll nicht mit dem Doktortitel einer renommierten Uni wie der LMU belohnt werden“, steht in der Petition. Ein Video, das die Universität in der Vergangenheit mit Walbrun aufgenommen hatte, wurde nach viel Kritik von der LMU-Instagramseite gelöscht.

„Walbrun ist völlig ungeeignet, Medizin auszuüben“, stimmt Martin Smollich der Forderung zu. „Wer sagt, ein Arzt will seine Patienten möglichst lange krank halten, der hat das Prinzip der Medizinfinanzierung in Deutschland nicht verstanden.“ Eine solche Ansicht gehöre schon zur Familie der Verschwörungstheorien. „Man kann sich in Deutschland vor Patienten gar nicht retten.“

Aber wie können Social-Media-User_innen seriösen Content von dem unterscheiden, was beispielsweise Alina Walbrun verbreitet? „Klare Red Flags sind Heilversprechen und ein eigenes Verkaufsinteresse“, sagt Smollich.

Das Fremdwerbeverbot

Walbrun verkauft in ihrem Onlineshop neben dem Matchapulver auch Haut- und Kollagenprodukte, die zwischen 70 und 80 Euro kosten. Ein Produkt enthält etwa Spermidin: „Das kommt nach unseren Untersuchungen gar nicht im Körper an“, so Martin Smollich. Eine Wirkung sei nicht nachgewiesen.

Was bei Verbraucher_innen außerdem für Verwirrung sorgen kann, sind die Siegel, die unter den Produkten aufgelistet sind, „Klinisch getestet“ etwa. „'Klinische Forschung’ bedeutet lediglich, dass an Menschen getestet wurde. Das bedeutet aber nicht, dass etwas Gutes rausgekommen ist. Es kann auch rausgekommen sein, dass das Produkt unwirksam oder schädlich ist.“

Ähnlich irreführend sei das Label „Made in Germany“, wie Gesa Schölgens von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen erklärt. Auch das steht unter Alina Walbruns Produkten. „Kolleg_innen haben einen Marktcheck dazu gemacht. Sie haben Produkte mit dem Label untersucht und festgestellt, dass ganz viele Inhaltsstoffe eigentlich aus asiatischen Laboren stammen.“

Was genau das Label bei Walbruns Produkten bedeute, sei unklar. Es suggeriere aber Qualität und Vertrauenswürdigkeit, so Schölgens. Die taz bat Alina Walbrun um Erklärung, erhielt aber bis Redaktionsschluss keine Rückmeldung.

Eine andere Medfluencerin ist Emi Arpa. Sie ist Fachärztin für Dermatologie, hat also anders als Alina Walbrun einen echten Doktortitel. Auf Instagram folgen ihr 480.000 Leute. Deutsche Promis besuchen regelmäßig ihre Praxis und in diversen Laber-Podcasts wird sie genamedroppt. Anti-Aging ist ihr Fokus.

Vergangenes Jahr startete Emi Arpa mit einer Skincareline namens „Dr. Emi Arpa Fermented Formulations“. Die verkauft sie jetzt an einem eigenen Stand im Berliner Kaufhaus KaDeWe. Um für den zu werben, verteilte sie vergangene Woche Gratis-Eis vor dem Einkaufszentrum. Wo man hinguckt, liest man groß und fett „Dr. Emi Arpa“.

Auch auf den „Dr. Emi Drips“ – das sind Infusionen, die sie in ihrer Praxis anbietet. Sie enthalten Vitamine, Elektrolyte und Spurenelemente, sollen entgiften oder Kraft geben und unterscheiden sich kaum von Infusionen gegen einen Kater.

Unnötiger Luxus

„Medizinisch ist die Vitamingabe per Infusion nur sinnvoll, wenn vorher ein gravierender Mangel nachgewiesen wurde – und nicht prophylaktisch. Gerade der Bedarf an Vitamin C kann problemlos über die normale Nahrung gedeckt werden“, erklärt Martin Smollich. Abgesehen davon, dass man auch Vi­tamine überdosieren kann, sind die Infusionen mit 150 bis 200 Euro ein unnötiges Luxusgut – besonders im Vergleich zu einem Netz Orangen. Smollich sagt darüber: „Das ist zwar unseriöse Medizin, aber natürlich trotzdem legal.“

Problematisch wird es, wenn durch Influencermarketing Gesundheitsversprechen gemacht werden, die nicht zulässig sind. Dazu gehört auch das Wort „Detox“ oder entgiftend, das Dr. Emi für einen ihrer Drips benutzt. „Werbung mit dem Wort Detox ist aus unserer Sicht verboten. Es gibt mehrere höchstrichterliche Urteile dazu, dass das im Produktnamen oder auf den Verpackungen nicht zulässig ist“, sagt Verbraucherschützerin Gesa Schölgens. Ansonsten sei Dr. Emi in ihren Produktbeschreibungen sehr vorsichtig gewesen.

„Interessanter ist die Frage, ob eine Medfluencer_in approbierte Ärzt_in ist“, fügt Schölgens hinzu, „und in bestimmten Fällen kann Produktwerbung von Ärzt_innen gegen das sogenannte Fremdwerbeverbot verstoßen.“ Das verbietet Ärzt_innen, ihren Namen in Verbindung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung für gewerbliche Zwecke zu nutzen. Auch Werbung für eigene oder fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte in Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit ist unzulässig. „Das ist berufswidrig und muss bei der Ärztekammer gemeldet werden.“

Auch Emi Arpa hat sich bis Redaktionsschluss nicht zu dem vorgeworfenen Verstoß gegen das Fremdwerbeverbot geäußert. Nachdem sie die taz darauf hingewiesen hat, sprach sie in einer Instagram-Story am Dienstag davon, dass ihre Produkte „auch ohne [ihren Namen] stünden.“ Außerdem begann sie, Videos, in denen sie über Skincare spricht, als „Werbung“ zu markieren.

Mitarbeit: Pia Kollmann

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6 Kommentare

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  • Die Sehnsucht nach dem schnellen Geld, das einige Influencer verdienen, macht aus "Werbebotschafter" einen Traumberuf. Solange seriöse Arbeit nicht mal für die Miete reicht, wird sich das nicht ändern. Das ist Kapitalismus.



    Ob Gesundheit oder Finanzen oder Ernährung, unseriöse Tipps können gefährlich sein. Statt Influencer in "Gute" und "Schlechte" zu sortieren, gehört dem System das Wasser abgegraben. Die "Guten" warten nämlich nur auf ein lukratives Angebot oder die nötige Zahl von Followern - was für ein Wort! - schon wird aus Paulus Saulus.

  • Nicht nur Ärzte haften für ihr Tun, sondern alle Heilberufe, z.B. auch Hebammen, bis hin zur Beweislastumkehr. Also: Volle Haftung für medizinische Influencer, bis rein ins Privatvermögen. Dann hat unseriöser Spuk bald ein Ende.

    • @Josef 123:

      Ja das wäre sehr gut. Doch wer soll das machen? Die Ampel bestimmt nicht, da ist die Pseudo-Partei FDP mit Sicherheit wieder mal Quertreiber. Und CDSU schon gar nicht....

  • Es wird wirklich Zeit, dass man bei allen sog. sozialen Medien eine ladungsfähige Anschrift hinterlegen muss und bei den Beiträgen dauerhaft die Ausweisnummer eingeblendet werden muss.



    Als nächstes dann auch bei Werbung generell nur beweisbare Tatsachen zulassen und keine Märchen und gefühlte Eigenschaften.

    • @Axel Schäfer:

      Und das ändert dann genau was? Bei den beiden Damen ist der Klarname doch bekannt und die TAZ konnte sie sogar anschreiben.



      Falsche Tatsachenbehaupungen in Werbungen sind auch schon verboten.



      Diese Forderungen sind immer schräg und ziemliche Luftnummern.

  • Früher mussten Mediziner gekauft werden, damit tendenziöse Studien entstehen, jetzt reicht es Leute auf tiktok und co zu sponsern