Max Schrems über das Facebook-Urteil: „Von allen guten Geistern verlassen“
Der Jurist Max Schrems darf zwar keine Sammelklage gegen Facebook in Wien einreichen, aber eine einzelne. Damit sei ein wichtiger Punkt geklärt, so der Österreicher.
taz: Herr Schrems, Sie wollten zusammen mit 25.000 Facebook-Nutzer*innen aus verschiedenen EU-Ländern in Österreich gegen das Unternehmen klagen. Facebook sagt, das dürfen Sie nicht. Was sagt der EuGH?
Max Schrems: Generell ist wichtig, dass jetzt endlich geklärt ist: Wien ist zuständig. Das hat Facebook jahrelang versucht zu verhindern. Was der EuGH nicht erlaubt, ist eine Verbrauchersammelklage. Das hat Folgen, die weit über unseren Prozess hinausreichen.
Und zwar?
In Österreich sind Verbrauchersammelklagen möglich. Der EuGH hat nun aber den Verbraucherbegriff extrem eingeschränkt. Mit dem jetzigen Urteil gilt nur als Verbraucher, wer auch der ursprüngliche Vertragspartner eines Unternehmens ist. Wenn das auf eine Person nicht zutrifft, fällt sie also aus dem Verbraucherschutz. Deswegen kann ich gegen Facebook nur wegen der Datenschutzverstöße in meinem Fall klagen, nicht auch für die 25.000 Menschen, die sich der Klage anschließen wollten.
Ist das ein Rückschlag für Sie?
Für unseren Fall ist das gar nicht so relevant. Wir haben grundsätzlich erreicht, was wir wollten: Facebooks Datensammlung landet vor Gericht und wird dort durchleuchtet. Die Sammelklage hätte dem ganzen politisch noch mehr Gewicht verliehen. Viel problematischer ist das in anderen Fällen. Wenn Sie zum Beispiel einen VW gebraucht kaufen, dann sind Sie nicht der ursprüngliche Vertragspartner von VW – und somit nach Definition des EuGH auch kein Verbraucher. Erzählen Sie mal einem vom Dieselskandal getroffenen Gebrauchtwagenfahrer. Oder: Sie kaufen Lebensmittel im Supermarkt und Ihr Partner verdirbt sich daran den Magen – dann ist er kein Vertragspartner, sondern Sie; und Sie haben ihm die Wurst geschenkt. Diese Einschränkung des Verbraucherbegriffs ist heftig und von allen guten Geistern verlassen.
Max Schrems, 30, ist ein österreichischer Jurist, Autor und Aktivist. Im November 2017 gründete er die Datenschutz-NGO „noyb“.
Und jetzt?
Wir brauchen in der EU endlich eine Lösung für solche Streuklagen. Egal ob Diesel oder mangelhafte Silikonimplantate wie in Frankreich; die einzelnen Nutzer haben einen relativ geringen Schaden von vielleicht ein paar Tausend Euro, die Kosten für die Klage sind aber viel höher. Also klagt nie jemand. Für die Unternehmen ist das natürlich angenehm; die können massenhaft Leute schädigen, ohne jemals jemanden vor Gericht zu sehen. Auch für die Gerichte ist das nur sinnvoll. Die wollen ja auch nicht 10.000 mal den gleichen Fall vor 10.000 Richtern mit 10.000 Gutachten verhandeln.
Aber Facebook kann in Sachen Sammelklage trotzdem nicht aufatmen, oder?
Richtig. Im Mai tritt die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Danach haben dann auch verschiedene Verbände Klagerecht, ohne dass die Betroffenen selbst klagen. Für Datenschutzfragen ist das super, und wir haben ja auch mit Noyb gerade einen Verein gegründet, der genau das können wird. Aber für andere Probleme ist das keine Lösung. Der Generalanwalt hat gesagt, die Politik solle das Problem mit den Sammelklagen lösen. Aber die haben sich noch nie zu so etwas durchgerungen – weil die Industrie sagt: Bitte nicht.
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