Mauerfall vor 20 Jahren: Beratung aus dem Westen

Für die Welt kam der Mauerfall überraschend. Doch schon Tage vorher deutete die SED dem Westen an, dass sie die Grenze öffnen würde. Eine Task-Force wurde eingesetzt.

Ohne Hilfe fiel die Mauer nicht: Die SED-Führung holte sich Hilfe aus dem Westen. Bild: ap

BERLIN taz | Die SED-Spitze hat sich 1989 von der Westberliner Regierung bei der Vorbereitung der Grenzöffnung beraten lassen. Nach Recherchen der sonntaz deutete SED-Politbüromitglied Günter Schabowski dem damaligen Regierenden Bürgermeister Walter Momper schon am 29. Oktober 1989 an, dass der Fall der Mauer bevorstehe: „Es wird eine Reiseregelung geben, die den Namen verdient.“

Der damalige Leiter der Westberliner Senatskanzlei, Dieter Schröder, sagte der sonntaz, er habe deshalb Schabowski gewarnt, dass eine derart großzügige Reiseregelung mit den wenigen Grenzübergängen nicht funktionieren werde. Vor allem im Nahverkehrsnetz müssten mehr Durchgänge zur Verfügung stehen. "Sie müssen was tun! Das gibt sonst ein furchtbares Gedränge", sagte Schröder nach eigenen Angaben zu Schabowski. "Daraufhin sagte er zu mir: 'Das habe ich noch gar nicht gewusst. Können Sie mir das einmal aufschreiben.'"

Er habe dem Politbüromitglied anschließend eine Liste mit Vorschlägen für zusätzliche Grenzübergänge zukommen lassen. Schabowski habe ihn ausdrücklich gebeten, das Papier am Beamtenapparat vorbei zu schleusen, berichtete der damalige Spitzenbeamte. Dabei sei der ehemalige Kirchenfunktionär und spätere Ministerpräsident Brandenburgs Manfred Stolpe behilflich gewesen. Das ungewohnt unbürokratische Vorgehen habe dazu geführt, dass der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher die genehmigte Liste mit den neuen Grenzübergängen schon am Tag nach dem Mauerfall vor dem Rathaus Schöneberg unter dem Jubel der Menge verlesen konnte.

Auf Westberliner Seite wurde umgehend eine Task-Force eingesetzt. Beamte sollten die Stadt auf das Unglaubliche vorbereiten: den Ansturm von Hunderttausenden DDR-Bürgern. Die Beamten konferierten bis in die Nacht, zur Stärkung ließen sie sich Würstchen kommen. Es ging beispielsweise darum, U- und S-Bahnen auf den zu erwartenden Ansturm der Massen einzustellen oder dafür zu sorgen, dass das Begrüßungsgeld von 100 D-Mark pro Kopf ausgegeben werden konnte.

In einer zweiseitigen Reportage hat die sonntaz die Vorbereitung auf den Mauerfall rekonstruiert. Dafür wurde mit vielen Zeitzeugen gesprochen und in Akten recherchiert wie der Countdown bis zum 9. November genau aussah. Als schließlich die Menschen über die Grenze kamen, war Westberlin einigermaßen vorbereitet. Nur in einer Frage hatten sich die Beamten verkalkuliert: Sie hatten mit 500.000 DDR-Bürgern gerechnet. Doch in den ersten Tagen kamen vier Mal so viele.

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