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Maßnahme gegen RettungsschiffItalien will „Aquarius“ festsetzen

Richter aus Italien haben die Beschlagnahmung des Seenotretters „Aquarius“ angeordnet. Angeblich hat die Crew Bordmüll falsch entsorgt.

Angeblich hat die „Aquarius“ ihre Abfälle falsch entsorgt – die Crew weist das entschieden zurück Foto: ap

Rom taz | Italien verschärft seinen Kurs gegen die in der Flüchtlingsrettung im Mittelmeer tätigen Hilfsorganisationen. Am Dienstag ordnete ein Untersuchungsrichter in Catania die Beschlagnahmung des von den Ärzten ohne Grenzen und SOS Méditerranée eingesetzten Schiffs „Aquarius“ sowie das Einfrieren mehrerer Bankkonten an. Der absurde Vorwurf: Der Bordmüll sei in italienischen Häfen über mehrere Jahre hinweg illegal entsorgt worden.

Konkret gehe es um insgesamt 24 Tonnen Abfälle, die die „Aquarius“ in den letzten Jahren entfernt, aber nicht als giftigen Sondermüll deklariert habe, sagte Staatsanwalt Carmelo Zuccaro. So seien Kosten von rund 460.000 Euro eingespart worden – deshalb jetzt die Beschlagnahmungsaktion. Zugleich laufen strafrechtliche Ermittlungen gegen 24 Personen wegen illegaler Müllbeseitigung. So seien im Mai in Catania 15 Kubikmeter Abfälle entsorgt worden, von denen 2 Kubikmeter eindeutig Giftmüll gewesen seien. Die Ermittler beziehen sich auf von Migranten benutzte Kleidung, die mit Krankheitserregern kontaminiert sein könne.

Zurzeit liegt die „Aquarius“ in Marseille vor Anker. Schon im Sommer hatte Italiens Innenminister Matteo Salvini allen Rettungsschiffen ein Verbot erteilt, italienische Häfen anzulaufen. Damit nicht genug: Der „Aquarius“ wurde erst von Gibraltar, dann von Panama die Flagge entzogen, offenbar auf Druck aus Italien hin. Damit konnte das Schiff auch vor der Aktion der italienischen Justiz keine Rettungseinsätze mehr fahren. Staatsanwalt Zuccaro folgt Salvinis Linie. Seit zwei Jahren ermittelt er gegen die Ärzte ohne Grenzen, denen er Komplizenschaft mit den libyschen Schleusern vorwirft.

Die Organisation will er der Beihilfe zur illegalen Immigration überführen. Beweise gibt es bisher aber nicht. Ärzte ohne Grenzen wies die Vorwürfe zurück. „Es handelt sich um eine unverhältnismäßige und unbegründete Maßnahme, die lediglich dazu dienen soll, lebensrettende Aktionen auf See zu kriminalisieren.“ Die Hilfsorganisation habe bei der Abfallentsorgung „immer die Standardverfahren eingehalten“, nie hätten italienische Behörden etwas auszusetzen gehabt.

Auch wenn Salvini, der das Innenministerium für migrantenfeindliche Kampagnen nutzt, diesmal keine aktive Rolle spielt, äußert er sich dennoch hochzufrieden. Mit seinem Stopp der Rettungsschiffe habe er „nicht nur das Geschäft mit klandestinen Immigranten, sondern – wie jetzt deutlich wird – auch mit Giftmüll beendet“, twitterte der Lega-Chef.

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9 Kommentare

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  • Tja.. schöne Scheisse eeh..! Italien keucht unter Krisen, alleingelassen von der EU.. zuviele Migranten, Armut und Leiden..



    So erscheint es dem Herrn Salvini als legitim, antihumane Prinzipien gegen Migranten, gegen NGO Seenotretter, als "rechtskräftig" zu definieren..



    Das ist m.E. sowas wie : "ITALY FIRST".. und erinnert an USA Mr. Trump´s "AMERICA FIRST" , oder an Herrn Orban usw. Haltung..



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    der Fehler in diesen antihumanen Haltungen liegt wohl (?) darin, das der "wirkliche Feind" : die globalen Klimaveränderungen in der Natur unserer Welt.. ( mit allen Seiten-und Nebeneffekten, wie zB Migration und Flucht..) , der mit Geldmacht, Krieg und ökonomischen Reichtum nicht zu überwinden ist.. bisher `verdrängt´oder nicht gesehen ist? Die populäre Politik verschanzt sich in eigenen, historisch-provinziellen Machtdoktrinen!

  • Das ist wohl nur ein Nebeneffekt. Primär geht es schlicht darum, die NGOs vom Mittelmeer fern zu halten. Die Frage ist, was ist zu erst alle:



    a) die Spendengelder um neue Schiffe zu kaufen und mit Versicherungen, Flaggen usw. auszurüsten

    oder aber

    b) die Ketten in Malta und Italien, um die unter a) genannten Schiffe damit im Hafen festzumachen.

    Ich habe da so eine Ahnung, wer am längeren Hebel sitzt.

    • @HugoHabicht:

      Dieser Beitrag war als Antwort auf UNDNIX gedacht.

  • Wer sich nicht an die Regeln hält und Geschäfte mit Schleusern macht gehört nicht auf die Weltmeere.

  • ich empfehle den Kommentatoren, die über Rassimus oder sonstiges Abweichen vom Thema schreiben, mal andere Informationen als die taz zu nutzen: Die Aquarius soll den Sondermüll (Verbände, Spritzen, verseuchte Kleidung) jahrelang als Normalmüll deklariert haben.



    Das sollte in D. mal ein Krankenhaus machen...

    • @schoenerrhein:

      Italien selbst hat da gewisse Erfahrungen aus 2008 als Güterwagen mit Hausmüll aus Neapel in unseren Verbrennungsanlagen entsorgt wurden:

      www.recyclingmagaz...leicht-radioaktiv/

    • @schoenerrhein:

      Aber, aber. Gesetze und Vorschriften gelten doch nicht für Seenotretter. Die dürfen auch technische Hilfsschiffe, die als Vergnügungsjachten(!) angemeldet sind zur Personenbeförderung betreiben.

  • Italien - Reiseland, für mich nicht mehr. Schade, mir gehen langsam die Länder aus nachdem die Türkei schon lange auf meiner schwarzen Liste steht.



    Beim Thema Müllentsorgung haben doch speziell die Italiener in Calabrien sehr viel Erfahrung. Da ist leider immer auch noch viel aus Deutschland dabei. Beides sind vom Christentum geprägte Länder - sind das die neuen Werte, die so gerne von christlichen Parteien angemahnt werden ?

  • Ein eindeutiger Fall von rassistischem Framing: mit solchen Aktionen sollen die Bootsflüchtlinge (vielleicht sollte man das nostalgische "Boat People" einführen) und alle anderen außereuropäischen Einwanderer als bedrohlicher Hort von Krankheiten stigmatisiert werden.