Maßnahme gegen Pflegekräftemangel: Kleine Aufstockung geplant
Ein Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium sieht 20.000 mehr Assistenzkräfte in Pflegeheimen vor. Im Schnitt ist das eine Stelle pro Heim.

In dem Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege“ heißt es, die zusätzlichen Stellen für Pflegehilfskräfte in der Altenpflege sollten „vollständig“ über einen „Vergütungszuschlag“ finanziert werden, der von der Pflegeversicherung getragen wird.
Die gesetzliche Pflegeversicherung soll für die Personalaufstockung, die schrittweise erfolgen soll, ab dem Jahr 2022 mit zusätzlich 665 Millionen Euro belastet werden, die private Pflegeversicherung mit 50 Millionen Euro. Die Eigenanteile der Pflegebedürftigen sollen durch die Aufstockungen nicht steigen, heißt es in dem Gesetz.
„Das Bundesgesundheitsministerium geht einen richtigen und logischen Schritt“ sagte Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) zu dem Referentenentwurf. Durch die Aufstockung mit Assistenzkräften könnten sich die Pflegefachkräfte mehr auf ihre qualifizierte Tätigkeit konzentrieren.
Learning on the job
Die neuen MitarbeiterInnen können auch als angelernte Hilfskräfte mit nur einem mehrmonatigen Pflegebasiskurs in den Heimen anfangen. Dann sollen sie aber innerhalb von zwei Jahren bis zum Niveau „QN 2“ einer Assistenzkraft nachqualifiziert werden, die nach einer Basisausbildung mindestens ein Jahr Berufserfahrung unter Anleitung absolviert haben muss.
„Anders als bei den Pflegefachkräften wird es gelingen, die zusätzlichen Stellen auch zu besetzen“, erklärte bpa-Präsident Meurer. Die Heime haben bislang vor allem Probleme, examinierte Fachkräfte zu finden, die eine dreijährige Ausbildung hinter sich haben.
Heinz Rothgang hatte in seinem Gutachten festgestellt, dass in den Heimen großer Personalmehrbedarf besteht, dieser aber nicht unbedingt durch examinierte Fachkräfte, sondern vor allem durch Assistenzkräfte gedeckt werden könne. Die Berufsverbände sehen den Einsatz von mehr Hilfskräften kritisch.
Vier Prozent mehr
Laut Gesetzentwurf sollen pro Pflegebedürftigen in den Heimen, abhängig von deren Pflegebedarf, rechnerisch zwischen 0,016 und 0,036 Vollzeitkräfte zusätzlich eingestellt werden. Dies entspreche im Schnitt etwa einer zusätzlichen Vollzeitkraft pro Heim, heißt es im Gesetzentwurf. Ein Heim hat im Schnitt 64 BewohnerInnen.
Laut einer Statistik arbeiten in Heimen rechnerisch Beschäftigte im Umfang von 552.000 Vollzeitstellen. Eine Aufstockung um 20.000 Vollzeit-Assistenzkräfte wäre also ein Plus von weniger als vier Prozent. Das Gutachten zur Personalbemessung hatte einen zusätzlichen zeitlichen Betreuungsbedarf von 40 Prozent pro Pflegeheimbewohner errechnet.
Nichtsdestotrotz ist das Gesetz ein erster Lackmustest, inwieweit personelle Verbesserungen in der Pflege in der Praxis machbar und auf dem Jobmarkt entsprechend BewerberInnen zu finden sind, die dann berufsbegleitend nach einem Basiskurs eine Assistenzausbildung machen können. Bisher sind die länderrechtlichen Regelungen zur Assistenzausbildung sehr vielfältig und wenig miteinander abgestimmt.
Der Referentenentwurf für das Gesetz, das auch Förderungen für Hebammen und Sonderregelungen für Zahnärzte in der Pandemie vorsieht, muss erst noch durch das Kabinett und dann in den Bundestag. Die Regelungen zur Personalaufstockung sollen ab dem 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945