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Massenunfall auf der A 19Riesenacker begünstigte Sandsturm

Weil ein Feld an der Autobahn keine Hecken hatte, konnte der Sandsturm besonders leicht entstehen, sagen Umweltschützer. Die Bauern sehen das anders.

Bauern sprühen Wasser auf ein Feld an der A 19, um Staub zu binden. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Agrarindustrie ist Umweltaktivisten zufolge für die Massenkarambolage mit acht Toten auf der Autobahn 19 bei Rostock mitverantwortlich. "Die riesigen Felder ohne Hecken in der Nähe der Unfallstelle haben den Sandsturm begünstigt, der den Autofahrern die Sicht genommen hat", sagte Arndt Müller vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) am Mittwoch der taz.

"Hecken, Büsche oder Bäume wären ein bremsender Faktor für den Wind gewesen." Der Sturm hatte Erde von einem Feld neben der Straße aufgewirbelt. Bei dem Unfall vergangenen Freitag rasten laut Polizei 82 Fahrzeuge ineinander. "Gerade in Ostdeutschland wurde die Landschaft zugunsten riesiger Agrarflächen ausgeräumt", erklärte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Friedrich Ostendorff.

Hintergrund ist, dass sich durchgehende Felder leichter mit Maschinen bearbeiten lassen. Ostendorff erkundigt sich deshalb nun in einer "kleinen Anfrage" bei der Bundesregierung, ob sie künftig den Vorschlag der EU-Kommission für strengere Umweltauflagen bei Agrarsubventionen unterstützt. Die Behörde will die Zahlungen zum Beispiel davon abhängig machen, dass die Größe der Äcker begrenzt wird, wenn sie in Gebieten liegen, die von Winderosion bedroht sind.

Der Kreisbauernverband Güstrow bestätigte, dass das Kartoffelfeld neben der Unfallstelle etwa 1.000 mal 400 Meter groß sei. "Das ist nicht groß. Das ist dort ganz normal", sagte Geschäftsführer Peter Brandt. Damit übertrifft der 40 Hektar umfassende einzelne Acker aber den gesamten Durchschnittsbetrieb in den alten Bundesländern, der nur rund 35 Hektar hat. Auf einem Luftbild des Feldes an der Autobahn sind keinerlei Hecken zu erkennen.

Der Deutsche Wetterdienst wies in einem Beitrag für einen Bericht des Bundesverkehrsministeriums über den Unfall darauf hin, dass "Sandstürme in dieser Jahreszeit und in diesem Gebiet keine Seltenheit" seien. Als Ursache nannten die Meteorologen neben Dürre und hohen Windgeschwindigkeiten auch die "fehlende Vegetation". Zudem verschärften die Landwirte dem Bericht zufolge die Situation, indem sie den Boden vor dem Unfall lockerten.

Das lasse sich nicht vermeiden, konterte der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern. Äcker müssten vor der Aussaat gepflügt werden. Es dauere eben, bis die Pflanzen den Boden bedeckten. Zu dem Vorwurf, dass Hecken fehlten, um die Erosion zu bremsen, äußerte sich der Verband nicht.

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21 Kommentare

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  • O
    Oliver

    Ich hätte gerne unter jedem Artikel zu solchen und anderen Unfällen den Vergleich, wieviele in den letzten 10 Jahren durch so etwas getötet oder verletzt wurden und wieviele durch Terrorismus. Und dann bitte noch vergleichen mit den entsprechenden Reaktionen des Gesetzgebers.

  • U
    unglaublicher

    Wind begünstigte Sturm

    Erde begünstigte Sand

    Auto begünstigte Unfall

    Mensch begünstigte Bewegung

    Journalist begünstigte Lügen

    Leser begünstigte Dummheit

  • K
    kurtrichard

    Lösung: Knicks. In Schleswig Holstein so etwas wie Pflicht. Und auch begründet. Erfahrungswerte sind also vorhanden. Schuldfrage somit geklärt. Diejenigen, die hier Raubbau an der Natur betreiben, diese riesige Ackerfläche ohne Knicks .... genehmigt haben, die Knicks unterlassen haben, die sollten zur Kasse gebeten werden. kurtrichard

  • CM
    christina marchand

    Vielleicht sollten es die Bauern in dieser Region auch mal mit Landwirtschaft ohne Pfügen versuchen. Damit wurde in den USA grosse Landflächen vor Erosion geschützt. Hecken usw. sollten auf jeden Fall vorgeschrieben, sein. Und wenn so etwas häufig vorkommt, dann muss die Autobahn durch einen Grünen Wald/Heckenbereich geschützt werden.

  • R
    Rod

    Was rasen die Leute auch so. Überhaupt ist Autofahren überflüssig. Wären die Leute mit dem Zug gefahren, wäre das nicht passiert.

  • T
    Tejens

    Der "Osten" versteppt schon länger, nämlich als Ergebnis staatssozialistischer Traktoristenökonomie der 60er Jahre. Knicks und Raine waren da nur im Weg, wie überhaupt die Natur. Gründüngung säte niemand im Herbst ein, die riesigen Felder (die es auch im "Westen" gibt) lagen in der Schwarzbrache. Nun fliegt erwartungsgemäß bei Frühjahrstrockenheit auch noch die fruchtbare oberste Bodenschicht davon. Die zu erwartenden Ertragsminderungen und das höhere Kulturrisiko wird man ökonomistisch durch noch grössere Flächenzusammenlegungen kompensieren wollen - was auch nicht funktioniert, da keine qualitative Verbesserung eingebracht wurde. Wäre die Erde jetzt nicht über die Autobahn geflogen, hätte es niemand bemerkt.

  • V
    vic

    Monsterflächen lassen sich vollautomatisch bewirtschaften. It`s the economy, stupid!

  • KH
    Karin Haertel

    Ein Tempolimit legalisiert jeden Unfall. Man muss ernsthaft am Verstand jener Autofahrer zweifeln, die bei 0 m Sicht ungebremst in eine Wand fahren. Schuld haben auch Staat und Landwirte. Die einen kassieren immer hoehere Steuern ab und unterlassen die notwendige Bepflanzung und die anderen lassen ihre Felder zur Wueste verkommen.

  • M
    Maddin

    Blöde Frage von einem Laien, der die passenden Suchbegriffe für eine Suchmaschinenanfrage nicht findet.

     

    Wie sollen Hecken am Rand (!) der Ackerfläche dafür sorgen, dass der Wind den Ackerboden aufwirbelt?

    Hohe Hecken (>5?) hätten sicherlich ein Hindernis für Wind und Sand dargestellt, aber verhindert?

     

     

    Grüßes

  • I
    Ina

    Ganz Stoffels Meinung!

  • DS
    Dieter Schopohl

    Wenn es sich bei den Äckern entlang der Autobahn nicht um biologische Landwirtschaft handelt, wird auch der Einsatz von mineralischem Stickstoffdünger (Kunstdünger) eine Rolle spielen. Kunstdünger enthält keine organische Substanz und schädigt das Bodenleben. Es führt zum Verlust von Bodenstruktur und Humus. Wer sich einmal ein mit Mistkompost gedüngtes Feld neben einem mineralisch gedüngten Feld anschaut, sieht wie die Erde auf dem mineralisch gedüngten Acker bereits bei geringer Luftbewegung verweht wird.

    Ich war mehrere Jahre Mitarbeiter bei einem Feldversuch, bei dem ich dies häufiger beobachten konnte. Lit.:

    Produktqualität und Düngung - mineralisch, organisch, biologisch-dynamisch : Einfluss mineral. u. organ. Düngung sowie d. biolog.-dynam. Präparate auf Qualitätsmerkmale pflanzl. Produkte u. auf Bodeneigenschaften / Ulf Abele. [inst. für Biolog.-Dynam. Forschung, Darmstadt. Unters. im Auftr. d. Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft u. Forsten] 1987, ISBN 3-7843-0345-5

  • M
    Margit

    Natürlich sind die Riesen-Ackerflächen und die fehlenden Hecken,Büsche und Bäume an so etwas Schuld.

    Zu DDR-Zeiten hat man die Natur im Osten verschandelt zugunsten einer eine extremen Ausbeutung der Flächen durch die Landwirtschaft.

    Im Westen kann es zu solchen Unglücken nicht kommen, weil hier die Äcker so klein sind, dass solche Staubmengen gar nicht aufgewirbelt werden können.

     

     

    Mein Vorschlag:

    Deutliche Verkleinerung der Ackerflächen auf Maße, wie sie im Westen üblich sind. Dazu noch Hecken, Büsche und Bäume.

    Und es wird keine Unfälle wegen Sandstürmen mehr geben.

  • M
    Margit

    Natürlich sind die Riesen-Ackerflächen und die fehlenden Hecken,Büsche und Bäume an so etwas Schuld.

    Zu DDR-Zeiten hat man die Natur im Osten verschandelt zugunsten einer eine extremen Ausbeutung der Flächen durch die Landwirtschaft.

    Im Westen kann es zu solchen Unglücken nicht kommen, weil hier die Äcker so klein sind, dass solche Staubmengen gar nicht aufgewirbelt werden können.

     

     

    Mein Vorschlag:

    Deutliche Verkleinerung der Ackerflächen auf Maße, wie sie im Westen üblich sind. Dazu noch Hecken, Büsche und Bäume.

    Und es wird keine Unfälle wegen Sandstürmen mehr geben.

  • H
    hinse

    also , wer weniger als ne mark für den liter milch bezahlt und billigstgemüse an jeder ecke für selbstverständlich hält, soll sich nicht wundern sondern gehört weiterhin von sandstürmen verschluckt!

  • TH
    Typisches Henne-Ei-Problem

    Waren die Felder oder die Autobahn eher da???

     

    Typisches Henne-Ei-Problem. Wenn die Autobahnbauer sich was gedacht hätten, gäbe es im Winter dort auch weniger Schneeverwehungen.

     

    Gruß von Nichtbauern.

  • TH
    Typisches Henne-Ei-Problem

    Waren die Felder oder die Autobahn eher da???

     

    Typisches Henne-Ei-Problem. Wenn die Autobahnbauer sich was gedacht hätten, gäbe es im Winter dort auch weniger Schneeverwehungen.

     

    Gruß von Nichtbauern.

  • PP
    Peter Pan

    ne ne, man sollte die verbraucher für den unfall bezahlen lassen... denn die wollen ja ihre lebensmittel billig haben...

     

    wer so verträumt ist und denkt, dass sein essen (und das der anderen) noch nach kleinbäuerlichen maßstäben auf 35ha-betrieben zu einem günstigen preis produziert werden kann, der lebt leider in der welt seiner vorfahren...

  • D
    Dana

    Traurig das mal wieder die AutofahrerInnen durch solch ein unsinniges Tempolimit gegängelt werden.

     

    Freie Fahrt für freie BürgerInnen!!!!

  • EG
    Eckhard Gorontzi

    Ein Sandsturm? Meiner Meinung nach ist das, was hier jedes Jahr über Mecklenburg weht und wirbelt, degradierter Moorboden. Die sogenannte Melioration (Verbesserung) hat jahrzehntelang systematisch den Grundwasserspiegel abgesenkt um Ackerflächen zu gewinnen, es wurden rechtswidrig Niedermoorstandorte umgepflügt (für Acker gibt es mehr Subventionen aus Brüssel als für Wiese), beim Abtrocknen der Moorböden werden beträchtliche Mengen CO2 freigesetzt und der degradierte Torf in Pulverform fliegt uns hier um die Ohren. Und der zuständige Agrarminister hat nichts dagegen, im Gegenteil, er betreibt selbst diesen "Ackerbodentagebau".

  • HS
    Hans Stoffel

    Man sollte diese Agrar-Industriellen für den Unfall bezahlen lassen ...

     

    Die Tatsache, das die Bodenerosion von den offenen Riesenflächen jährlich tonnenweise Mutterboden abträgt und der Boden dadurch immer schlechter wird reicht denen anscheinend nicht als Anreiz, um ein paar Hecken zu pflanzen.

     

    Es grüßt Euch: Stoffel

  • V
    vantast

    Klar, die Bauern sind nicht schuldig an der Flurbereinigung, nicht an der Verschlechterung des Grundwassers, nicht an den Resistenzen der Antibiotika usw.