Massenproteste gegen Ukrainekrieg: Auf die Straße für den Frieden

Ein breites Antikriegsbündnis ruft zu Protesten auf – auch gegen deutsche Aufrüstungspläne. Waffenlieferungen hingegen bleiben umstritten.

Demonstrierene Menschenmasse soweit das Auge reicht

Am 27. Februar gingen in Berlin mehr als 100.000 Menschen gegen den Krieg auf die Straße Foto: Kay Nietfeld/dpa

BOCHUM taz | Das breite zivilgesellschaftliche Bündnis „Stoppt den Krieg“, das schon Ende Februar 2022 in Berlin die erste große Demonstration gegen den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine angeschoben hat, will für den kommenden Sonntag erneut zu Massenprotesten in ganz Deutschland aufrufen.

Am 13. März seien Demonstrationen in Berlin und in weiteren „fünf bis sieben großen Städten“ geplant, sagte Christoph Bautz, Geschäftsführer der Mobilisierungsplattform campact, der taz. Welche dies sein werden, wolle man am Montag bekannt geben.

Wie schon Ende Februar in Berlin hofft das Bündnis, das Gewerkschaften, Umweltverbände und kirchliche Gruppen zu einer neuen Friedensbewegung vereint, auf Hunderttausende Unterstützer:innen. Verurteilt wird dabei nicht nur der Angriffskrieg Russlands – auch auf die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verkündete Aufrüstungspolitik der Bundesregierung blickt das Bündnis mit Sorge und Skepsis.

„Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben Deutschlands um 100 Milliarden Euro sehen wir sehr kritisch“, heißt es in einem Entwurf des Demo-Aufrufs, der am Montag veröffentlicht werden soll. „Dem Kauf neuer Flugzeuge zum Einsatz von Atombomben stellen wir uns entgegen.“ Abgelehnt wird auch die von Scholz im Bundestag angekündigte Erhöhung des Rüstungsetats auf mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Schon jetzt viel Geld für Rüstung

Das „absurd hohe Aufrüstungsprogramm“ wirke „wie eine Kurzschlussreaktion von Olaf Scholz angesichts der Dramatik in der Ukraine“, sagt Alexander Lurz, Abrüstungsexperte im Friedensteam von Greenpeace. „Eine solch gigantische Aufrüstung muss demokratisch diskutiert werden.“

Nach Zahlen des Friedensforschungsinstituts Sipri hätten die Nato-Staaten allein im Jahr 2020 zusammen etwa 1.000 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben – Russland dagegen rund 62 Milliarden Dollar, rechnet Lurz vor. Zwar seien die Zahlen wegen geringerer Preise für Rüstungsgüter in Russland „nicht gänzlich vergleichbar, zeigen aber die Tendenz“, sagt der Friedensaktivist.

„Schon jetzt ist der deutsche Militäretat mit 52,1 Milliarden Euro der siebthöchste weltweit“, sagt auch Barbara Happe von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald. Die Bundesregierung scheue den Einsatz ihrer „effektivsten Waffe gegen Putin: ein Ende der Kohle-, Öl- und Gasimporte, auch über die Pipeline Nord Stream 1“. Nach Schätzung von Campact-Chef Bautz fließen aus Europa jeden Tag 500 Millionen „Petro-Euros“ nach Russland.

„Jeder, der sich für die Aufrechterhaltung der russischen Energielieferungen an den Westen einsetzt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er mit seinem Geld die Kugeln, Granaten und Raketen finanziert, die heute auf die Ukraine regnen“, sagt der 2021 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnete Gründer der russischen Umweltorganisation Ecodefense, Wladimir Sliwjak.

Streitthema Waffenlieferungen

Ein Ende der Energieimporte aus Russland, stattdessen massive Investitionen in eine „radikale Energiewende“ fordert auch ein Bündnis aus mehr als 30 Anti-Atom- und Umweltschutzbewegungen wie etwa Ausgestrahlt und Robin Wood.

Kontrovers diskutiert werden dagegen deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine. Unter Hinweis auf das in Artikel 51 der UN-Charta festgeschriebene Recht auf Selbstverteidigung vermeiden viele Organisationen hierzu eine klare Positionierung – in dem Aufruf zu den Großdemos am kommenden Sonntag werden die Waffenlieferungen der Bundeswehr deshalb nicht thematisiert.

Klar abgelehnt werden die Rüstungsexporte dagegen von Initiativen wie den Vereinigten KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), den Internationalen Ärzten zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) und der ökumenischen Organisation Ohne Rüstung Leben (ORL). „Wir sind gegen jede Waffenlieferung, besonders in Kriegs- und Krisengebiete“, sagte DFG-VK-Geschäftsführer Michael Schulze von Glaßer der taz.

Angesichts der geschätzt achtfachen Überlegenheit der russischen Armeen sei zu befürchten, dass Rüstungsexporte in der Ukraine nur Krieg, Leid und Zerstörung verlängerten. Auch Schulze von Glaßer setzt stattdessen auf eine Ausweitung der Wirtschaftssanktionen. „Und natürlich muss die Bundesrepublik auch Deserteure aufnehmen – aus Russland, aber auch aus der Ukraine.“

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