Maserngesetz vor Verfassungsgericht: Dämpfer für Impfgegner
Die Verfassungsrichter verweigern eine einstweilige Anordnung gegen die indirekte Masern-Impfpflicht. Das Verfahren könnte richtungsweisend sein.
Das am 1. März in Kraft getretene Gesetz sieht vor, dass Kinder nur dann in Kitas oder Schulen betreut werden dürfen, wenn sie eine Masernschutzimpfung oder Masernimmunität nachweisen. Für Kinder, die schon zur Kita oder zur Schule gehen, muss der Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erfolgen. Die Schulpflicht besteht auch für ungeimpfte Kinder.
Dagegen erhoben im März mehrere Eltern Verfassungsbeschwerde. Sie seien auf Kinderbetreuung angewiesen, wollen ihre Kinder aber nicht impfen lassen. Das Gesetz beinhalte einen indirekten Impfzwang, der das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit verletze, so die Klage.
Eine dreiköpfige Kammer des Bundesverfassungsgerichts hat nun zwei mit den Klagen verbundene Eilanträge in einer „Folgenabwägung“ abgelehnt. Die Interessen der Eltern und der Kinder überwiegen derzeit nicht die Interessen der Allgemeinheit, so die Richter, deshalb wird das Masernschutzgesetz nicht sofort gestoppt. Die Verfassungsrichter wollen die Klagen aber gründlich prüfen. Die Verfassungsbeschwerden seien weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. (Az.: 1 BvR 469/20)
Bedeutung auch für Corona
Bei den Demonstrationen gegen corona-bedingte Grundrechtseinschränkungen sind Impfskeptiker prominent vertreten. Obwohl es noch keinen Impfstoff gibt, warnen sie bereits vor einer Zwangsimpfung.
Allerdings hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor einigen Wochen eine Art Immunitätsnachweis vorgeschlagen. Er sollte die Grundlage dafür bilden, dass Personen, die nach überstandener Krankheit oder nach Impfung immun sind, von Beschränkungen ausgenommen werden können. Die SPD hatte die Regelung jedoch verhindert, weil sie einen Anreiz befürchtete, sich absichtlich anzustecken und damit andere zu gefährden.
Sollte es – frühestens Ende des Jahres – einen Impfstoff geben, könnte die Diskussion um Privilegierungen für corona-immune Personen erneut an Fahrt aufnehmen. Denn wer sich impfen lassen kann, muss sich nicht anstecken lassen. Daraus ergäbe sich aber – je nach Art der Privilegierung – wieder eine indirekte Impfpflicht. Es würden sich dann ähnliche verfassungsrechtliche Fragen wie beim Masernschutzgesetz stellen. Auch deshalb wird sich das Bundesverfassungsgericht beim Masern-Verfahren vermutlich Zeit für eine eingehende Prüfung nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?