Marokko: Islamisten verpassen den Wahlsieg

Entgegen Erwartungen siegt bei der Parlamentswahl die nationalistische Istiqlal, die Islamisten werden zweite Kraft. In der Mehrzahl sind allerdings Nichtwähler.

Verhüllte Frau bei Stimmabgabe in marokkanischem Wahllokal Bild: dpa

Das Ergebnis der Parlamentswahlen, das Marokkos Innenminister Chakib Benmoussa am Samstagabend verkündete, kam für alle überraschend: Entgegen aller Erwartung hat nicht die islamistische "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (PJD) die Wahlen vom Vortag gewonnen, sondern die historische "Unabhängigkeitspartei" Istiqlal. Diese älteste politische Partei des nordafrikanischen Königreiches erzielte nach vorläufigen Auszählungsergebnissen 16 Prozent der Wählerstimmen und wird damit 52 der insgesamt 325 Parlamentssitze innehaben, vier mehr als 2002.

Die Islamisten errangen hingegen nur 47 Sitze. Das sind zwar fünf mehr als bei den letzten Wahlen, dennoch hat dieses Ergebnis einen Beigeschmack von Niederlage, denn 2002 war die PJD in nur 60 Prozent der Wahlkreise angetreten, dieses Mal hatte sie im gesamten Land kandidiert. Die Sozialistische Union der Volkskräfte (USFP), die in der scheidenden Regierung mit 50 Sitzen die stärkste Fraktion stellte, hat künftig nur noch 36 Sitze.

Lahcen Daoudi, dem Sprecher der Islamisten, war die Enttäuschung anzumerken. Laut Daoudi haben die traditionellen Parteien Stimmen gekauft. Was der PJD allerdings am meisten geschadet haben dürfte, war das Verhalten der größten islamistischen Organisation Marokkos, al-Adl wal-Ihsan. Diese Organisation hatte die Wahlen zum "Nicht-Ereignis" erklärt, da sowieso alle Macht vom König ausgehe und das Parlament nichts zu sagen habe. Viele Islamisten sind daraufhin den Urnen fern geblieben.

Die internationalen Wahlbeobachter sprachen von weitgehend sauberen Wahlen. 52 Beobachter aus 19 Ländern besuchten insgesamt 325 Wahllokale in 12 Regionen. "Ich will noch nicht abschließend urteilen, aber uns liegen bisher keine Anhaltspunkte für Wahlmanipulation vor", erklärt der Deutsche Michael Meier Resende von Democracy Reporting International (DRI). Seine Organisation beanstandete allerdings, dass eigens für den Urnengang die Wahlkreise neu zugeschnitten und die Abgeordneten neu verteilt worden sind. Nun werden auf dem Land, wo die traditionellen Parteien stark sind, wesentlich weniger Stimmen für einen Parlamentssitz gebraucht als in den Städten, den Hochburgen der Islamisten. "Das Problem ist die niedrige Wahlbeteiligung", erklärt Meier Resende weiter: "Ein großer Teil der Bevölkerung nimmt nicht am politischen Leben teil." Die Wahlbeteiligung lag bei nur 37 Prozent. 2002 waren es noch knapp über 50 Prozent.

Laut Verfassung wird König Mohammed VI. als nächstes einen Ministerpräsidenten bestimmen, der dann die neue Regierungskoalition zusammenstellt. Istiqlal und USFP, die bisher zusammen mit mehreren kleineren Parteien regierten, wollen ihre Koalition fortsetzen. Es ist aber auch denkbar, dass Mohammed VI. die PJD einzubinden versucht. Die konservative Istiqlal dürfte mehr Berührungspunkte mit der PJD haben als mit den Sozialisten.

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