Marineübung in Hamburg: Geheimes Aufgebot im Hafen
Die Marine trainiert im Hamburger Hafen einen Einsatz gegen Piraten – und keiner weiß Bescheid. Hafenarbeiter und Innenbehörde sind irritiert.
Anfang vergangener Woche bemerken HHLA-Arbeiter der Nachtschicht um 4.45 Uhr am Container-Terminal Burchardkai vor dem Containerriesen der Reederei Hamburg Süd, Cap San Nicolas, zwei Bundeswehr-Kleinbusse und einen Bundeswehr-Offizier-Mercedes mit Y-Kennzeichen. Vor den Fahrzeugen stehen ein Dutzend Soldaten. Sie legen zuerst Helme und dann ihre Sturmgewehre an.
Auf Frage, was denn hier gerade läuft, wird den Beschäftigten die Auskunft verweigert. Offenbar handelt es sich um eine geheime Kommandosache. Auch dem herbeigeeilten HHLA-Schichtführer verweigern die Militärs die Antwort. Über Funk mutmaßt jemand aus der HHLA-Zentrale, es handele sich vielleicht um eine „Anti-Terror-Übung“. Weil die Nachtschicht dann nach Hause geht und die Frühschicht erst um 7 Uhr kommt, bleiben den Soldaten am Burchardkai ungestörte eineinhalb Stunden.
Nach gemeinsamen Recherchen der taz und des linken Radiosenders FSK dementiert die HHLA, dass überhaupt eine Bundeswehr-Übung stattgefunden hat. Auch die Hamburger Innenbehörde erklärt, sie sei nicht über ein Manöver informiert worden. Tags darauf will sie selbst erfahren, was sich am Vortag im Hafen abgespielt hat.
Auch bei der HHLA geht in den nächsten Tagen weiter spekuliert. taz-Recherchen in der Belegschaft bestätigen, dass es eine Bundeswehrübung gegeben hat. Dass Soldaten auf dem Container-Terminal Burchardkai im Einsatz waren, belegen Fotos. Das bestätigt auch der HHLA-Betriebsrat: „Wir waren als Betriebsrat nicht informiert worden“, sagt Betriebsratschef Norbert Paulsen verärgert. „Wir haben auch nur gehört, dass es eine Anti-Terror-Übung gab.“
Paulsen interessiert vor allen, auf welcher Rechtsgrundlage diese Übung stattgefunden habe. Denn es könne ja nicht angehen, dass Personen mit Maschinenpistolen auf das Gelände kommen, nur weil sie eine Bundeswehr-Uniform tragen.
Seit den Terroranschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 unterliegen Hafenanlagen dem „International Ship and Port Facility Security Code“ (ISPS-Code) der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation. Danach müssen diese als Sicherheitszonen abgeschottet werden.
Betriebsratschef Norbert Paulsen
Mitte der Woche erklärt HHLA-Sprecher Karl Olaf Petters erneut auf taz-Anfrage: „Völliger Blödsinn – es hat keine Bundeswehrübung gegeben.“ Und auch der Sprecher des Bundeswehr-Landeskommandos Hamburg, Wulf Allkotte, kapituliert bei seiner Recherche. „Das müssen Fremdkräfte gewesen sein. Wir als Landesverband wissen davon nichts“, sagt Allkotte.
Licht ins Dunkel bringt erst eine Anfrage bei der Reederei Hamburg-Süd. „Das war eine Marine-Übung auf der Cap San Nicolas“, sagt Reederei-Sprecherin Christiane Krämer. Die Marine hätte mit Einverständnis der Reederei einen Einsatz gegen Piraten auf einem echten Handelsschiff trainieren wollen. Nunmehr korrigiert sich auch HHLA-Sprecher Petters: „Es gab eine Marine-Übung auf einem Schiff, wir haben nur die Überfahrgenehmigung erteilt“, sagt er.
Später erklärt Fregattenkapitän Johannes Dumrese vom Marine-Kommando Rostock der taz: „Das war der Ausbildungsabschnitt eines Ausbildungsgangs der Marine-Kampfschwimmer.“ Es habe ein Anti-Piraterie-Einsatz auf einen echten Handelsschiff simuliert werden sollen, wie er im Rahmen der „Operation Atlanta“ am Kap von Afrika zum Schutz deutscher Handelsschiffe vorkommen könne.
Entsprechende Übungen gebe es zwar auch auf den eigenen Kriegsschiffen, aber ein Handelsschiff sei größer und nun mal anders gebaut, sodass sich die Zeiten für Abläufe verlängern können.
Dumrese räumt ein, dass das Manöver gegenüber der HHLA-Belegschaft nicht gut kommuniziert worden und so unnötiges Misstrauen entstanden sei. „Das ist einfach schief gelaufen“, sagt er und verspricht für die Zukunft mehr Transparenz..
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