piwik no script img

Marina Klimchuk über den polnisch-israelischen ZwistJerusalem schwenkt um

Polen hat ein neues Gesetz verabschiedet: Nach einer Verjährungsfrist von 30 Jahren dürfen Immobilien nicht mehr gerichtlich angefochten werden. Für Holocaust-Überlebende bedeutet das, sie dürfen nicht länger die Rückgabe von konfisziertem Eigentum einklagen, das ihnen zur Zeit der Nazi-Herrschaft weggenommen wurde.

Allzu zahlreich dürften die noch ausstehenden Anträge nach 30 Jahren ohnehin kaum noch sein. Trotzdem fällt die Reaktion der israelischen Regierung heftig aus. Das Gesetz sei „antisemitisch und unmoralisch“, hieß es in Jerusalem. Man zog diplomatische Konsequenzen: Der polnische Botschafter Israels soll bis auf Weiteres beurlaubt werden.

Die empörte Reaktion zeigt, dass die Ära des früheren langjährigen Regierungschefs Benjamin Netanjahu auch in der Außenpolitik ein Ende hat. Netanjahu pflegte die Beziehungen zu Europas Rechtspopulisten der Visegrád-Gruppe, aber auch Ländern wie Österreich und Italien. Israels Na­tio­na­lis­t:in­nen ließen bei der Rechten Europas gern mal fünfe grade sein.

Schon ideologisch sind sich die Populisten in Israel und Europa näher, wenn es um den Umgang mit Geflüchteten geht oder dem Islam. Rechtskonservative in Europa versuchten, durch ihre Liaison mit Israel politische Akzeptanz über die Landesgrenzen hinaus zu erlangen und sich von ihrem „braunen Stigma“ zu befreien.

Israels Rechte wiederum fand Verbündete, während die Kritik im Rest Europas gegen Israels Besatzungspolitik unverändert anhielt. Gerne berufen sich israelische Po­li­ti­ke­r:in­nen dabei auf „Antisemitismus“ in der Linken und unter Mus­li­m:in­nen, verschließen hingegen die Augen vor traditionellen Formen des Antisemitismus, die in der Rechten weit verbreitet sind.

Die neue israelische Regierung signalisiert nun, dass man in Jerusalem nicht länger bereit dazu ist, hetzerische Identitätspolitik auszublenden und Antisemitismus aus politischem Pragmatismus durchgehen zu lassen.

ausland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen