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Marieluise Beck verabschiedet sich„Goodbye Bremen“

Die grüne Osteuropa-Expertin will in Zukunft nicht mehr in Bremen, sondern nur noch in Berlin politisch tätig sein – auch ohne Bundestagsmandat.

Genießt in Berlin mehr Wertschätzung als in Bremen: Marieluise Beck (l.) Foto: dpa

Bremen taz | „It’s time to say good bye“ steht auf der Einladung der grünen Bremer Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck in die Kulturkirche St. Stephani. „Goodbye“? Naja, sagt sie auf diese Frage, „ich verabschiede mich politisch. Das heißt, dass ich in Bremen nicht mehr politisch arbeiten werde.“ Natürlich bleibt sie Bremen verbunden – als Großmutter. Hier wohnt inzwischen die Familie ihrer Tochter. Ihre neue politische Heimat soll aber Berlin sein – und das war es im Grunde auch in den letzten Jahren so, weil ihre Arbeit dort wertgeschätzt wird – weit mehr jedenfalls als in Bremen, wo sie vor vier Jahren ihre erneute Kandidatur gegen den Widerstand des grünen Partei-Establishment durchsetzen musste.

„Marieluise Beck verabschiedet sich nach 32 Jahren im Parlament zu ihrem 65. Geburtstag von ihrer Bremer Heimat“, interpretieren die Grünen das auf ihrer Homepage und wollen damit dem Vorgang den Anstrich eines normalen Laufs der Dinge geben. Aber als politische Rentnerin fühlt sich Beck keineswegs, sie will von Berlin aus ihr Engagement der letzten Jahre fortsetzen – und da standen Osteuropa und die Ukraine im Zentrum.

Becks Element: die Osteuropapolitik

Wie groß ihr Ansehen als Europapolitikerin in Kiew und in Berlin ist, das konnte man in dieser Woche bei einer Anhörung ihrer Bundestagsfraktion erleben. „Mitten in Europa – Deutschlands historische Verantwortung für die Ukraine“ hieß diese, rund 400 Interessierte aus der politischen Klasse waren gekommen. Der renommierte amerikanische Historiker Timothy Snyder hielt das Hauptreferat, Marieluise Beck saß anschließend mit ihm auf dem Podium und war in ihrem Element: Die Osteuropapolitik.

Scham über das, was der deutsche Stiefel auf ukrainischem Boden angerichtet hat

Marieluise Beck

„Scham über das, was der deutsche Stiefel auf ukrainischem Boden angerichtet hat“, ist das moralische Fundament ihrer Politik, hat Beck einmal erklärt. Denn vor allem die Ukraine war das Kriegsziel der Nazis, erklärte Snyder auf der Berliner Tagung: Auf ukrainischem Boden hat der deutsche „Vernichtungskrieg“ die meisten Opfer gefordert. 3,5 Millionen Zivilisten, und dazu sind drei Millionen Ukrainer im Kampf gegen die Wehrmacht gefallen, mehr als Franzosen, Engländer und Amerikaner zusammen.

Mit dem Begriff der „Bloodlands“ versucht Snyder den Blick auf diese „Zwischenländer“ zu fokussieren: Mit dem „Hitler-Stalin-Pakt“ wurde eines dieser Zwischenländer, Polen, unter den Imperien aufgeteilt, der deutsche Angriff auf die Sowjet­union trug den Krieg auf das Territorium dieser „Zwischenländer“ – es sollte eine Art kolonialer Kornkammer für Großdeutschland werden. In Jalta schließlich, 1945, wurden diese Zwischenländer wieder Opfer der Verständigung der Großmächte. Wer über Europa redet, darf diese „Zwischenländer“ nicht geistig ausradieren, sagt Marieluise Beck. Aus deutscher Verantwortung vor der Geschichte, so Beck, verbietet sich Verständigung mit Russland auf Kosten dieser Zwischenländer.

Städtepartnerschaft auf eigene Kappe

Odessa könnte vielleicht eine Brücke sein, diese 1794 gegründete Stadt am Schwarzen Meer mit seiner multikulturellen Geschichte, in der heute selbstverständlich Russisch gesprochen wird. Im frühen 20. Jahrhundert war Odessa eine jüdische Metropole, ein Drittel der Bürger waren Juden – bevor der Antisemitismus dort tobte, erst der russisch-stalinistische, dann der deutsch-nationalsozialistische. In Odessa war immer wieder die Idee einer „Freistadt“ populär. Kein Zufall also, dass Marieluise Beck mit Alexey Botvinov einen Pianisten aus Odessa nach Bremen eingeladen hat, bei ihrem „Goodbye“ zu spielen. Weil eine offizielle „Städtepartnerschaft“ mit diesem Odessa von der Bremer Politik abgelehnt wurde, fördert sie auf eigene Kappe eine „musikalische Städtepartnerschaft“.

Marieluise Becks Politik ist Kommunikation, sie will das Selbstverständnis und das Selbstbild der Menschen prägen, etwa wenn sie darauf beharrt, dass das Selbstbild des „Europäers“ weit mehr ist als das gängige des „Westeuropäers“. Hat sie nie Gesetze gemacht oder Steuern verteilt, was für viele der Inbegriff von Politik ist? Sie lacht auf die Frage. Doch, 1989, da hat sie ein Gesetz gemacht unter dem Titel „Zeit und Geld für Kinder“, da ging es um Freistellungsansprüche und Elterngeld. Natürlich wurde es abgelehnt, schon weil es von den Grünen kam und weil es 1989 war. Es ging also darum, das Selbstverständnis der Menschen zu ändern – unter dem Vorwand einer aussichtslosen Gesetzesinitiative.

„Beifall von der Fraktion der Grünen und der CDU/CSU“ vermerkt das Bundestagsprotokoll oft bei ihren Reden über Osteuropa oder über den Westbalkan. An ihren Versuchen, die Tagespolitik mit einem differenzierten Geschichtsbild zu untermauern, reibt sich vor allem das sozialistisch-sozialdemokratische Milieu.

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3 Kommentare

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  • Sehr gut, wenn Leute wie sie nur mehr Einfluss hätten, um die Kriegführung des Kreml in Ukraine und Syrien zu stoppen.

  • Hier dreht sich einem der Magen um. Warum Beck tatsächlich nicht wieder kandidierte, deutet Benno Schirrmeister in seinem Artikel vom November letzten Jahres an (https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5357482&s=beck+bremen/). Ich hoffe, daß der Landesverband hier ein klares Zeichen gegen olivgrüne Kriegstreiberei setzen wollte. Diese mit „Scham über das, was der deutsche Stiefel auf ukrainischem Boden angerichtet hat“ zu rechtfertigen, ist nur noch schäbig.

    • @jhwh:

      Kriegstreiberei? Welche Kriegstreiberei? Welchen historischen Packt mit Russland habe Sie den abgeschlossen, dass Sie Becks Opposition zur Anexion ukrainischer Flächen durch Russland als Kriegstreiberei verunglimpfen?