Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg: Ehre, wem Ehre gebührt
Der Linken-Kandidat von Berlin-Kreuzberg möchte den Mariannenplatz nach Rio Reiser benennen. Die Idee ist gut, hat aber ihre Haken.
Es ist also nur konsequent, wenn Pascal Meiser, Friedrichshain-Kreuzbergs Direktkandidat der Linken zur Bundestagswahl, für den kommenden Sonntag zu einer symbolischen Platzumbenennung einlädt. Gedenken will er damit „einem namhaften Rockkünstler der deutschen linken Szene, der am 20. August vor 21 Jahren verstorben ist.“ Die Rest-Spannung, die Meiser durch Vermeidung der Namensnennung aufrechtzuerhalten versucht, können wir ihm nicht gönnen: Willkommen also auf dem Rio-Reiser-Platz!
Doch Moment, ist das überhaupt eine gute Idee? Unzweifelhaft ist – und wird – der Ton Steine Scherben-Sänger mit dem Platz verbunden. Mit dem Rauch-Haus-Song, der Hymne auf die Besetzung des angrenzenden früheren Bethanien-Krankenhauses im Dezember 1971, setzte Reiser dem Platz ein Denkmal. „Der Mariannenplatz ist blau, soviel Bullen waren da“, schallt es noch heute auf so vielen linken Demos und Partys. Sollte es zukünftig also heißen: Der „Rio Reiser-Platz war blau“? Die Verwirrung der Nachwuchs-Autonomen ist vorprogrammiert, die Traditionslinken werden aufheulen.
Auch aus Gendergerechtigkeit taugt der Vorschlag kaum: Einen nach einer Frau – so rückständig sie auch gewesen sein mag – benannten Platz nun einem Mann zu widmen, dürfte vielen gar nicht schmecken. Schon die Umbenennung großer Teile der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße war ein Sakrileg, das nur aufgrund einer Volksabstimmung zustande kam. Seit 2005 müssen neue Straßen in Friedrichshain-Kreuzberg Frauen im Namen führen. Auch für Linke – und Die Linke – wird hier sicher keine Ausnahme gemacht werden.
Man könnte jedoch auch die einzige Frau der Ton-Steine-Scherben-Familie würdigen, bräuchte dafür jedoch ein extra-langes Straßenschild: „Die-Managerin-der-Band-von-Rio-Reiser-Platz“. Immerhin wäre das eine Möglichkeit, mit der auch die im Bezirk allmächtigen Grünen sympathisieren könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen