piwik no script img

Mangelnde FußballprofessurenIch, die EM und die Wissenschaft

Die EM soll vorgeblich eine Öffnung und Modernisierung der Gesellschaft bewirken. Doch Fußballprofessoren, die das erforschen könnten, gibt es nicht.

Ist das wirklich schon Fußballforschung? Ex-DFB-Präsident Wolfgang Niersbach vor dem Endspielball 1954 im Deutschen Fußballmuseum Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

A ch, beginne ich doch einfach mit Robert Musil. Schließlich will ich zeigen, wie wichtig das alles ist. „Es gab einflussreiche Industrien, wie die des Fußballspiels“, schrieb er in seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ 1930, „aber man zögerte noch, ihnen an den technischen Hochschulen Lehrstühle aufzustellen.“

Nicht so in Dortmund. Seit 2006 gibt es dort an der TU zu WMs und EMs die „Fußballprofessur“. Inne hat sie Andrei S. Markovits, nicht nur jüngst emeritierter Professor der University of Michigan, sondern auch (Disclaimer!) ein guter Freund von mir. Sonst könnte ich diese Kolumne gar nicht schreiben, denn Andy (noch ein Disclaimer!) hatte mich eingeladen, dort einen Vortrag zu halten. (Letzter Disclaimer, versprochen): Mein neues Buch handelt allgemein von der Sportgeschichte und was es da an sozialen Kämpfen gab und gibt, aber ich bastelte aus diesem großen Thema eine Mischung aus Vortrag und Lesung – nur mit Fußballbeispielen. Das kam nicht schlecht an, aber seit wann geht es in einer Kolumne wie dieser um mich? Eben.

Studierende aller möglichen Kulturwissenschaften tauchten im Fußballseminar auf, Kollegen und Kolleginnen aus dem Lehrbetrieb wollten sich das mal anhören, und auch Menschen, denen man wohl nicht zu nahe tritt, wenn man sie als nicht mehr studierend vermutet. Das Ganze bei hochsommerlichen Temperaturen von 12.15 bis 13.45 Uhr, also zu einer Zeit, zu der Leute wie ich (um den es ja hier nicht geht) ans Mittagessen denken.

Aufladung der EM

Vielleicht liegt dieses Interesse an der Aufladung dieser Fußball-EM. Von ihr soll ja unbedingt eine Öffnung und Modernisierung unserer Gesellschaft ausgehen – ein „Sommermärchen 2.0“. Solch politische Erwartungen legen tatsächlich ein paar Fragen nahe: Kann die EM das? Soll sie das? Und: Wer will das? Mein Freund Andy hat viel Erhellendes zum Fußball erforscht: Warum er fast überall Weltsport ist, nur in den USA nicht; warum aber genau dort Frauenfußball ein wesentlich besseres Standing hat und vieles mehr. Aber konkret die Fragen nach dem angeblichen Sommermärchen können von der Forschung aktuell kaum beantwortet werden. Vielleicht, weil es so gut wie keine Fußballprofessoren gibt. Googelt man, springen einem nur zwei entgegen: Ralf Rangnick und Andy Markovits. Der eine, Österreichs Nationaltrainer, wurde damit eher geschmäht, und der andere bekommt den Titel leider nur für die Dauer von Großevents verliehen.

Dabei wird mit jeder Nancy-Faeser-Rede („Zusammenhalt stärken“), Markus-Söder-Einlassung („Daumen drücken!“) und Saskia-Esken-Interview („Zusammenspiel befreundeter Völker“) deutlich, dass hier Forschungsbedarf existiert. Wir haben stattdessen bloß das mediale Experten- und Expertinnengewese. „Verhältnismäßig einfach, wenn ein Fußballverein anregte, seinem Rechtsaußen den Professorentitel zu verleihen“, heißt es bei Musil dazu. Nicht schlecht, okay. Aber sonst zögert man nicht nur an technischen Hochschulen noch. Dabei stünden ich und meine Freunde gerne bereit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Im Museum in Dortmund -



    Herr Niersbach staunt: „Der Ball ist rund."

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Solche Luffis ⚽️ - kannste heute naturellement in der Pfeife rauchen! But

      Die Dysfunktionaliät des System Sport in Schland - wie es heute zementiert ist & erkennbar selbst einen Martin Krauss korrumpiert - wurde brutalstmöglich von DFB-Chef Neuberger - den zudem der Hut LSB Saarland & Lotto/Toto Saarland zierte - in den Stil gestoßen zu Lasten der übrigen Sportarten!



      Das alles post des Durchmarsches der Brownies Carl Diem & Co. & der gnadenlosen Hilfe von Medien & der Exekutive •

      Na Mahlzeit - die Wutanfälle ob dessen - von Gieseler DSB & Tröger NOK live -



      Werde ich nie vergessen! Woll



      (Bonmot am Rande: der 70.000 DM teure DFB-Teppich in der Otto-Fleck-Schneise -



      🙀🥳😡 - da konnte ein Fallschiermjäger Kreta & Monte Casino - echt nicht mehr wechseln! Woll

  • Sei fesch - sei nur ein kluges 💡



    Bewirb dich nur - Gehn tunse beide nicht! Denn



    “Mein neues Buch handelt allgemein von der Sportgeschichte und was es da an sozialen Kämpfen gab und gibt, aber ich bastelte aus diesem großen Thema eine Mischung aus Vortrag und Lesung – nur mit Fußballbeispielen.“ 👎 -



    Musil - Beschränkung⚽️ statt erhellendem - Den bunten Vielen! Woll



    Das geht zu recht lockerlose - in die Hüse - Hüse? - Hose!



    Ach wie toll!



    Dasse das besser wissen - geschenkt - tu ich schmerzlich hier vermissen •