Mandat Der Bundestag genehmigt Bundeswehreinsatz gegen den IS. Die Opposition stimmt mit Nein: Ja zum Syrieneinsatz
aus Berlin Tobias Schulze
Die Schlachtfelder Syriens und das Plenum des Bundestags ähneln sich am Freitag in gewisser Weise. Von der Regierungsbank fliegen zwar keine Fassbomben, die Checkpoints am Eingang betreibt nicht der „Islamische Staat“, und über der Reichstagskuppel kreisen auch keine Kampfjets. Eines verbindet Berlin-Mitte an diesem Vormittag aber mit dem Nahen Osten: Ähnlich zerrüttet wie die zig Oppositionsmilizen in Syrien präsentieren sich auch die Oppositionsfraktionen im Bundestag.
Das Parlament diskutiert über den Bundeswehreinsatz gegen den IS, und als erste Regierungsgegnerin steht Sahra Wagenknecht am Rednerpult. Die Chefin der Linke-Fraktion hält nicht viel vom deutschen Syrienmandat. „Sie bekämpfen den IS damit nicht, sie werden ihn stärken“, sagt sie. In der Dschihadistenhauptstadt Rakka mit ihren 200.000 Einwohnern hätten die Luftangriffe zuletzt Krankenhäuser und Schulen getroffen. „Man kann davon ausgehen, dass der Bombenkrieg der letzten drei Wochen mehr zivile Opfer gefordert hat als die Terroranschläge von Paris.“
Dieter Janecek will das so nicht stehen lassen. Vom Syrienmandat ist der Grüne zwar auch nicht überzeugt. Weil er aber kein gewöhnlicher Grüner ist, sondern ein besonders konservativer, hält er von Wagenknecht noch viel weniger. Also eröffnet er eine zweite Front und meldet sich mit einer Zwischenfrage. „Sie beklagen zu Recht zivile Opfer in Rakka, aber was ist mit den russischen Luftangriffen?“, sagt er. „Sind Sie da auf einem Auge blind?“
Die Attacke zündet, sogar die Unionsfraktion applaudiert. Dann startet Wagenknecht aber die Gegenoffensive. „Die russischen Luftangriffe sind genauso tragisch wie die der Amerikaner“, ruft sie. Doch wer die russischen Bomben verurteile, könne wohl kaum für den Einsatz westlicher Bomben stimmen. Das sitzt, bei der Union klatscht niemand mehr.
Die Abstimmung wird die Opposition später trotzdem verlieren: 445 Abgeordnete sagen Ja zum Bundeswehreinsatz, 145 stimmen mit Nein (davon 28 aus der SPD und zwei aus der CDU), sieben enthalten sich. Die Bundeswehr darf damit bis zu 1.200 Soldaten in den Krieg gegen den IS schicken; sie wird sich mit Aufklärungsflugzeugen, Tankflugzeugen und einer Fregatte an den Angriffen beteiligen. Der Bundestag folgt damit dem Antrag der Bundesregierung.
Für die Zustimmung des Parlaments wirbt zuvor Norbert Röttgen. Statt der Kanzlerin oder der Verteidigungsministerin schickte die Union ihn, den Chef des Auswärtigen Ausschusses, ans Rednerpult.
Der CDU-Politiker versucht mit Emotionen zu punkten. Langsam, die Stimme gedämpft, spricht er von den jungen Jesidinnen, die der IS versklavt und vergewaltigt. „Wenn man sich das Gesicht eines dieser Mädchen vorstellt, kann ich Ihnen nur eine Bemerkung mitgeben: Ich finde, es braucht schon verdammte gute Argumente, wenn man heute mit Nein stimmt“, sagt Röttgen.
Das klingt vertraut: Als der Bundestag vor 14 Jahren dem Afghanistaneinsatz zustimmte, stand die Freiheit der Frauen ebenfalls im Mittelpunkt der Debatte. Die Grünen, noch in der Bundesregierung, folgten dem Argument damals.
Diesmal ist es anders. „Wissen Sie, uns nimmt das auch mit. Aber ein Nein zu Ihrem Mandat bedeutet ja nicht, dass man nicht handeln soll“, sagt Fraktionschef Anton Hofreiter in die Richtung Röttgens. Seine Kritik: Die Regierung habe den Grünen nicht erklären können, welche Strategie sie mit dem Einsatz verfolge.
Deshalb werde die Mehrheit seiner Fraktion ebenso wenig zustimmen wie die Linke. Zumindest an der Abstimmungsurne ist sich die Opposition am Ende also einig. Berlin ist eben doch nicht Rakka.
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