Maja T.'s Vater zur Ungarnreise des AA: „Sie dürfen nicht mit leeren Händen zurückkommen“
Seit fünf Wochen befindet sich Maja T. im Hungerstreik, nun reist das Auswärtige Amt nach Ungarn. Vater Wolfram Jarosch hat eine klare Forderung.

taz: Herr Jarosch, Ihr Kind Maja befindet sich seit fünfeinhalb Wochen im Hungerstreik in ungarischer Haft. Zuletzt verschlechterte sich der Gesundheitszustand rapide, es erfolgte eine Verlegung in ein Haftkrankenhaus. Am Wochenende nun konnten Sie und Ihre Familie Maja dort erstmals besuchen. Wie geht es Ihrem Kind?
Wolfram Jarosch: Es geht Maja nicht gut. Maja ist stark abgemagert, die Wangen eingefallen, man sieht deutlich den Gewichtsverlust. Maja hat inzwischen 14 Kilogramm Körpergewicht verloren, Leber und Niere sind angegriffen, die Blutwerte zu niedrig, es drohen inzwischen dauerhafte Organschäden. Wir waren zwei Stunden dort und nach der Hälfte merkten wir, dass es für Maja schwierig wurde, sich zu konzentrieren. Maja ist schon stark geschwächt.
taz: Wie ist das als Vater, sein Kind so zu erleben?
Jarosch: Natürlich ist es sehr schwer zu sehen, wenn dein Kind so stark in Mitleidenschaft gezogen ist. Es war schön, Maja endlich mal wieder umarmen zu können. Aber auch das Krankenhaus bleibt eine Haftanstalt, mit Stacheldraht und Einlassschleusen. Wärter saßen bei unserem Treffen mit im Raum. Das ist kein Zustand.
54, arbeitet als Biologie- und Chemie-Lehrer an einer Jenaer Schule. Er ist der Vater von Maja T.
taz: Zuletzt erklärten Sie, dass ungarische Ärzte in Aussicht stellten, Maja einen Herzschrittmacher einzusetzen, wegen der zu niedrigen Herzfrequenz. Alternativ könnte Maja in ein ziviles Krankenhaus verlegt werden, mit dauerhafter Fixierung im Bett. Wie akut droht das?
Jarosch: Maja hat beidem widersprochen und das wurde vorerst auch akzeptiert. Aber die Maßnahmen sind nicht vom Tisch. Es wurde klar gemacht, dass diese auch gegen den Willen erfolgen können, wenn es gesundheitlich weiter bergab geht. Genauso wie eine Zwangsernährung – obwohl Maja das in einer Patientenverfügung abgelehnt hat.
taz: Maja ist weiter gewillt, den Hungerstreik fortzusetzen?
Jarosch: Vorerst ja. Es ist ein Akt der Verzweiflung. Und es bleibt unfassbar, dass Maja in solch eine Lage in Ungarn gebracht wurde. Mit einer Auslieferung, die nie hätte passieren dürfen – wie ja auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat. Deshalb muss die Bundesregierung endlich handeln, diesen Rechtsverstoß beseitigen und Maja nach Deutschland zurückholen – oder zumindest für ein Ende der Isolationshaft in Ungarn sorgen.
taz: Haben Sie Maja etwas geraten zum Hungerstreik – ob er fortgesetzt oder abgebrochen werden soll?
Jarosch: Das ist Majas Entscheidung. Und auch wenn es für mich sehr schwer ist: Angesichts einer Isolationshaft in Ungarn, die inzwischen mehr als ein Jahr anhält, angesichts eines Prozess, der wie eine Vorverurteilung wirkt und mit einer absurd hohen Strafe droht, kann ich diesen Schritt nachvollziehen. Ich unterstütze Maja so gut ich kann.
taz: Außenminister Johann Wadephul hat nun angekündigt, dass eine Delegation seines Ministeriums diese Woche nach Ungarn reisen wird, um sich für Maja einzusetzen. Was ist hier Ihre Erwartung?
Jarosch: Es ist gut, dass sich endlich etwas bewegt. Aber noch ist ja alles sehr vage und unklar, wer genau da hinreist und was genau verhandelt werden soll. Ich hoffe aber sehr, dass endlich etwas Konkretes passiert. Dass endlich der Rechtsverstoß, der für Maja über ein Jahr andauert, beendet wird. Dass endlich europäische Menschenrechtsstandards eingehalten werden. Maja braucht ein Ende der Isolationshaft und eine Verlegung in ein Hausarrest, mindestens.
taz: Sie waren ja kürzlich im Auswärtigen Amt und haben eine Petition mit 100.000 Unterschriften übergeben, die fordert, Maja nach Deutschland zurückzuholen. Da hat Ihnen das Auswärtige Amt nichts Genaueres zu seinen Plänen mitgeteilt?
Jarosch: Nicht wirklich. Es gibt einen Kontakt der deutschen Botschaft zu unserer Familie, aber mehr als die Presse erfahren wir auch nicht. Und an der Lage von Maja hat sich bis heute ja auch nichts geändert. Das Auswärtige Amt darf nicht mit leeren Händen aus Ungarn zurückkommen.
taz: Ihrem Kind werden schwere Straftaten vorgeworfen: Mehrere Angriffe auf Rechtsextreme im Februar 2023 in Budapest, am Rande des „Tags der Ehre“, einem europaweiten Szeneaufmarsch. Wie stehen Sie dazu?
Jarosch: Die Vorwürfe müssen natürlich in einem fairen, rechtsstaatlichen Prozess aufgeklärt werden. Aber der geht immer von der Unschuldsvermutung aus. In Ungarn ist das ganz offensichtlich nicht der Fall. Und auch deshalb muss Maja wieder nach Deutschland zurückgeholt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Schwarz-Rot und das Richterdebakel
Was, wenn der Riss viel zu tief ist, um geflickt zu werden?
Merz im ARD-Sommerinterview
Hohe Mieten? Nur ein Problem für den Staat, sagt Merz
SUV-Verkehrsunfall auf Sardinien
Die tödliche Front
Merz im Sommerinterview
„Ein bisschen überfordert“
Gesunde Böden, Gewässer, Wälder
Bauernverband möchte lieber keinen Naturschutz
Buch über Putins imperiale Strategie
Da knallen die Sektkorken im Propagandastab des Kreml