piwik no script img

Mahnmal für Genozid an Sinti und RomaEin „Spiegel unendlicher Trauer“

In Berlin ist das Denkmal für die in der Nazizeit ermordeten Roma und Sinti eingeweiht worden. Ein Zeitzeuge kritisiert, Antiziganismus sei noch heute vorhanden.

Das Denkmal in Berlin. Bild: dpa

BERLIN afp | Mit einem Festakt ist am Mittwoch in Berlin das Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma eingeweiht worden. „Der Völkermord an Sinti und Roma hat tiefe Spuren hinterlassen und noch tiefere Wunden“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Ansprache.

Das Denkmal halte dem Betrachter einen „Spiegel unendlicher Trauer“ vor. Es trage das Schicksal des einzelnen Menschen „in unsere Mitte“ und mahne an die Verpflichtung, die Würde des Menschen zu achten – „und zwar in jedem einzelnen Falle“.

Der Völkermord an Sinti und Roma sei der „vergessene Holocaust“, sagte der Zeitzeuge Soni Weisz bei der Einweihung. Er berichtete vor den Zuhörern, wie er seiner Deportation ins Vernichtungslager Auschwitz entging, aber zuschauen musste, wie seine Eltern und Geschwister abtransportiert wurden. Das Denkmal sei ein „Zeichen der Anerkennung des zugefügten Leids“, aber auch der Hoffnung, dass „Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus nicht mehr diese Formen annimmt wie in den dreißiger Jahren.“ Weisz kritisierte zugleich den Umgang mit Sinti und Roma in der Gegenwart. Die Gesellschaft habe „fast nichts“ gelernt.

Das von dem israelischen Bildhauer Dani Karavan gestaltete Mahnmal liegt in unmittelbarer Nähe des Reichstags. Es besteht aus einem zwölf Meter breiten, kreisrunden Wasserbecken mit einer dreieckigen Stele in der Mitte. Bei der Eröffnungszeremonie wurde diese vor den Augen der Festgäste nach unten versenkt und mit einer frischen Blüte darauf wieder in die Höhe gehoben. Diese Prozedur soll sich jeden Tag wiederholen.

Auf den Brunnenrand ist auf Englisch und Deutsch das Gedicht „Auschwitz“ des italienischen Dichters Santino Spinelli eingraviert, der selbst Roma ist. In eindringlichen Worten beschreibt das Gedicht das Leid der Holocaust-Opfer. Neben dem Denkmal ist auf Tafeln die Chronologie des Völkermords an Sinti und Roma aufgezeichnet. Während der NS-Gewaltherrschaft wurden nach Schätzungen rund 500.000 Sinti und Roma systematisch verfolgt und ermordet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!