Mäzenatentum in Potsdam: Wer schenkt, hat recht
Am Freitag eröffnet in Potsdam das Museum Barberini. Ein weiteres Projekt, das vom Software-Milliardär Hasso Plattner gestiftet wurde.
Es stimmt nicht, sagt Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, dass Reiche die Entwicklung der Stadt bestimmen. Er sagt im selben Atemzug aber auch: „Potsdams neue Mitte darf nicht zu einer Spaltung der Stadt führen, Ziel ist es, zu verhindern, dass über die Frage, wie sich die Mitte entwickelt, ein Spalt durch die Stadtgesellschaft geht.“
Mit den Reichen – von denen gibt es in der kleinen Landeshauptstadt nicht wenige – meint er vor allem die großzügigen Großspender für von der Stadt gewollte Projekte: den Wiederaufbau des Stadtschlosses etwa, den noch geplanten Wiederaufbau der Garnisonkirche und das vom Software-Milliardär Hasso Plattner gleich ganz gestiftete Museum Barberini, das an diesem Freitag mit jeder Menge Glamour – angeblich kommt sogar Hasso Plattners Kumpel Bill Gates – eröffnet wird.
Neben Plattner, der schon Bau und Lehrbetrieb des nach ihm benannten Forschungsinstituts am Griebnitzsee mit mindestens 200 Millionen Euro finanziert hat, zählt zu den Spendern und Mäzenen auch der Fernsehmillionär Günter Jauch. Aber Plattners Einfluss ist, nicht zuletzt wegen des neuen Museums, deutlich größer. Wer der Stadt ein Museum schenkt – ein Museum, in dem er nicht nur einen Teil seiner privaten Kunstsammlung ausstellen will, sondern das auch jedes Jahr drei temporäre Ausstellungen zeigen will – dem kann man wenig übel nehmen. Da ist Dankbarkeit schon angebracht – und Plattner bekommt sie: „Die Potsdamer haben sich an ihn ganz persönlich gewandt und ihm gesagt, wie viel es für sie bedeutet, dass dieser Ort wieder entsteht als Ort der Begegnung und der Kunst“, sagt Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini.
Das ist das grundsätzliche Problem jedes Mäzenatentums. Wer zahlt, nimmt Einfluss, wie sehr er sich aus inhaltlichen Detailfragen auch heraushält. Weil er bestimmt, was entsteht. Klar, Plattner hat mit Ortrud Westheider, die zuletzt das Bucerius Kunst Forum in Hamburg geleitet hat, eine unabhängige Direktorin für sein Museum eingesetzt. Und klar ist es toll, dass Potsdam ein Museum für moderne Kunst bekommt, einfach so. Das wäre ohne Plattner nicht passiert.
Stadtbild sähe ohne Plattner völlig anders aus
Aber klar ist auch: Es ist Plattners mehr oder weniger privater Kunstgeschmack, den die ständige Sammlung repräsentiert. Nicht seine vielen Impressionisten, die lässt er wegen des neuen Kulturgutschutzgesetzes wohl in den USA: Ein Teil davon wird aber, ergänzt um Leihgaben, in der ersten der drei Eröffnungsausstellungen gezeigt und wirbt jetzt für das Museum. Fest zur Sammlung gehören werden aber seine mehr als 80 Werke der DDR-Kunst.
Nebenbei hat Plattner der Stadt gleich noch einen Lieblingswunsch erfüllt: die Rekonstruktion des Palastes Barberini, ein Teil des barocken Ensembles um das ebenfalls nachgebaute Stadtschloss, in dem heute der Landtag residiert. Für den Plattner ja auch schon mehr als 22 Millionen Euro springen ließ. Für die historische Fassade und das Kupferdach. Sprich: Das Stadtbild sähe ohne ihn völlig anders aus. Und nicht so, wie es sich Jann Jakobs wünscht.
Es sähe vielleicht mehr so aus, wie ein anderer Teil der Potsdamer es sich wünscht. Viele Linke, viele, die in der DDR geboren wurden. An der Architektur hat sich in Potsdam ein ideologischer Graben aufgetan: Zwischen denen, die die „historische Mitte“ rekonstruieren wollen – und denen, die sagen: Auch was zwischen 1954 und 1989 gebaut wurde ist Teil der Stadtidentität.
Logisch, dass sich durchsetzt, wer private Bauvorhaben quasi aus der Portokasse bezahlen kann. Und ebenso logisch, dass sich die andere Seite überrumpelt fühlt. Und fragt: Was ist mit unserer Vorstellung? Identität besteht in Potsdam, vielleicht noch mehr als anderswo, vor allem aus Steinen: Fachhochschule in DDR-Moderne hier, barocker Landtag dort.
Widerstand als nicht ausgereiftes Verständnis abgetan
Plattner ist in diesem Tauziehen einer der wichtigsten Player. Faktisch kann man ihm wenig vorwerfen, er hält sich aus politischen Debatten verbal heraus. Etwa damals, als er die Idee, der Stadt ein Museum zu bauen, zum ersten Mal vortrug. Sein Vorschlag war: Der Stadt einen Lieblingswunsch erfüllen und das von der Stadt und den Barock-Fans gehasste Hotel Mercure – Relikt aus DDR-Zeiten – zu kaufen, abzureißen und dort eine moderne Kunsthalle zu bauen. Als sich gegen die Schleifung des übrigens gut ausgelasteten Hotels heftiger Widerstand regte, vor allem durch die Linke, nahm er von diesen Plänen wieder Abstand.
Hinterfragt wurde diese Handreichung zwischen Geld und Politik in den lokalen Medien kaum. Im Gegenteil, Kritik galt als defätistisches Nörglertum, als provinziell. Potsdams SPD-Chef Mike Schubert fragte, „wo diese selbstzerstörerischen Debatten Potsdam noch hinführen sollen“, Modeschöpfer Wolfgang Joop, gebürtiger Potsdamer, beklagte: „Diese Stadt kennt statt Demut und Dankbarkeit nur Neid und Missgunst.“
Wenn am Freitag das Museum Barberini eröffnet wird, wird für Kritik am Grundsätzlichen, am Rekonstruktionswahn etwa, natürlich kein Anlass sein. Aber eben auch sonst nicht, wenn man es wie Thomas Albrecht, Architekt des neuen Palastes Barberini, sieht, der sagt: „Ich glaube aber, wenn die Gebäude längere Zeit stehen und zu wirken beginnen, wenn wir sie täglich sehen und ,benutzen' – dann ändern viele Menschen, viele Bewohner der Stadt auch ihre Meinung über Rekonstruktionsarchitektur.“
Das ist das Problem: Jeder Widerstand wird in Potsdam gern als noch nicht ausgereiftes Verständnis von Ästhetik abgetan. Das ist nicht Plattners Haltung, aber er unterstützt als Stifter und privater Bauherr die, die sie vertreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen