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„Männerphantasien“ auf FranzösischObsessive Angst vor dem Flutenden

Klaus Theweleits Grundlagenwerk gibt es endlich auf Französisch: „Fantasmâlgories“. Jonathan Littell stellte in Paris die Übersetzung vor.

Anders Breivik in seinem „Körperpanzer“, 2012 in Oslo. Foto: ap

Fast vier Jahrzehnte mussten vergehen, bis die „Männerphantasien“ nun endlich auch in dem auf originelle Theorien spezialisierten Nachbarland Frankreich angekommen sind. Zum Ausgleich für diese lange Verzögerung hat der Übersetzer sich für die französische Ausgabe den sehr ingeniösen Titel „Fantasmâlgories“ einfallen lassen.

Auf der Veranstaltung zur Vorstellung des Buches im Pariser Goethe-Institut kommentierte der über die Wirkungsgeschichte längst ergraute Theweleit das neuerliche Interesse an seinem Werk als Beleg der „universellen Struktur“ des „faschistischen Körpers“: Die IS-Terroristen von heute oder der Skandinavier Anders Breivik würden genauso in einem „Körperpanzer“ stecken wie einst die deutschen Freikorps-Killer, deren Autobiografien er in seinem Werk ausgewertet hatte.

Theweleits Verbindung von Faschismusforschung und Gender-Theorie war in den Siebzigern revolutionär. Statt den Faschismus noch einmal aus einer Kapitalismusanalyse abzuleiten, hatte er sich dem Mann als unbekanntem Wesen zugewandt. In faschistischen Tätern entdeckte er eine obsessive Angst vor allem „Flutenden“ und die mörderische Disposition, durch orgienhafte Massaker die als bedroht empfundene virile Körperidentität zu stabilisieren.

Die Präsentation der französischen Ausgabe am Montag war so etwas wie das Gipfeltreffen zweier Spezialisten faschistischer Täterpsychologie: Die Moderation hatte Jonathan Littell übernommen. Dessen preisgekrönter Roman „Die Wohlgesinnten“ (2006), der mit fast pornografischer Enthüllungslust in die Innenperspektive von nationalsozialistischen Mördern eintaucht, ist offenkundig von Theweleit beeinflusst.

Wie passt „Männerphantasien“ zu Marine Le Pen?

Im Pariser Kontext konnte es naheliegenderweise nicht ausbleiben, dass Theweleit über aktuelle französische Männerphantasien nachdenken musste: Wie passt seine Theorie von der Angst der rechtsradikalen Männer vor dem Flutenden und dem damit assoziierten Weiblichen mit der Präsidentschaft von Marine Le Pen im Front National zusammen?

Theweleit erinnert daran, dass Faschisten gespaltene Persönlichkeiten haben und trotz ihrer Misogynie auch positive Frauenbilder kennen: zum Beispiel die „entlebendigte“ Frau, die sich ihnen im Typ der asexuellen Krankenschwester materialisiert. Aber die prall ihre Präsenz einbringende Marine Le Pen fügt sich offenkundigerweise kaum in dieses Muster. Theweleit gibt zu, dass das Phänomen Le Pen nur möglich ist, weil sogar das rechtsradikale Milieu sich vom Feminismus der letzten Jahrzehnte hat beeinflussen lassen.

Außerdem sei der Front National zwar rechtsradikal, aber die heutigen „Körperpanzer“ formierten sich einigermaßen lustoffen in individualistischen Muckibuden statt in den einstigen männerbündlerischen Armeen. Auch wenn Theweleit daher nicht die Gefahren für gering erachtet, gibt er zu, dass in Frankreich Männerphantasien von Rechtsradikalen aktuell „softer“ geworden sind.

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4 Kommentare

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  • Theweleits Erklärung für den Faschismus durch "Körperpanzer" kann ich viel abgewinnen und dass sein Buch jetzt in Französich herauskommt, zeigt die immer noch bestehende Aktualität. Dass das 1977 (!) herausgekommene Buch erst jetzt in Frankreich ankommt, ist dabei einigermaßen erstaunlich. Dass es inzwischen gesellschaftliche Änderungen gab, steht auch außer Frage - nur wohl nicht diese, dass "das rechtsradikale Milieu sich vom Feminismus der letzten Jahrzehnte hat beeinflussen lassen". Tatsächlich ist es doch wohl eher so: Zwar finden sich Körperpanzer weit häufiger bei Männern, spätestens seit Margret Thatcher aber wissen wir, dass sie kein Privileg ausschließlich des männlichen Geschlechts sind. Auch Marine Le Pens aggressiver Körperpanzer ist kaum zu übersehen. Die Dualität, Männer zeigen nur männliche, Frauen nur weibliche Verhaltensweisen, stimmt eben nicht.

    • @stph:

      korrekt -

      & die Besprechung amüsiert

      …weil da jemand mit -

      Brille - Fielmann -

      Mit leicht eingeschränktem

      Sichtfeld - sich nunja - bemüht.

      Männerlphantasie - halt!

       

      kurz - Gelächterlesen inne

      taz a weekend*=

      Wahrheitstaz 2.Ordnung;-))

      (*ONE + ONE - Klaus Theweleit;!¡)

  • Ja ja - Alles fließt -

    Panta rhei (altgr. πάντα ῥεῖ)

    Vier Jahrzehnte ~>

     

    "Sie müssen gar nicht regieren

    Von Frankreich bis Polen, von Österreich bis Schweden: Längst haben die großen Volksparteien rechtsextreme Themen übernommen.

     

    In der CSU, in Schweden und in der Schweiz gelangte der Ruf nach einem Damm gegen „Einwanderung in den Sozialstaat“ und für mehr Abschiebungen straffällig gewordener Flüchtlinge von Pegida/AfD und den Stammtischen direkt in die Regierungsprogramme.…"

    http://www.taz.de/Debatte-Rechtspopulismus/!5265740/

     

    Rudolf Walther - pascht scho!

  • Interessant.

    Hätte nicht gedacht, dass es so lange gedauert hätte, bis dieses Werk ins Französische übersetzt worden ist, zumal Theweleit ja einer der ersten war, der Namen wie Deleuze und Guattari in den deutschen Sprachraum gebracht hat. Und das auch noch mit einer, für eine Dissertation, Massenauflage.